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Entscheidende Urteile - Daytrading ist nicht gewerbesteuerpflichtig
[Prof. Dr. Klaus F. Bröker I Traders' Mag] Wer kennt ihn nicht? – Den Wunsch des Finanzamts, möglichst alles und jeden gründlich zu besteuern. Besonders stark ist er im Hinblick auf die Besteuerung des Daytradings. In der Vergangenheit haben einige Finanzämter tatsächlich versucht, Daytrader als Gewerbetreibende einzustufen. Mit der Folge, dass diese dann kräftig Gewerbesteuer zahlen sollten. Der BFH (Bundesfinanzhof) hat diesem Treiben jedoch nachhaltig einen Riegel vorgeschoben.
Was war passiert? Das Finanzgericht München stellte mit Urteil vom 15.03.2006 unter dem Aktenzeichen 1 K 2294/03 fest, dass die von der angestellten Börsenmaklerin in den Jahren 1989 bis 2003 erzielten Spekulationsgewinne von damals insgesamt 411 808 DM eine gewerbliche Tätigkeit begründeten und daher der Gewerbesteuer unterlägen. Natürlich wehrte sich die Maklerin mit der Begründung, sie tätige diese Geschäfte auf eigene Rechnung in Zins- und Währungsoptionsscheinen. Das FG München sah dies anders und vertrat den Standpunkt, dass derjenige, der neben der Börsenmaklertätigkeit in Kontakt mit anderen Marktteilnehmern unter Ausnutzung seiner berufl ichen Kenntnisse im Tageshandel unter Ausnutzung geringer Kursdiff erenzen und ohne Einsatz eigener (privater) Mittel Börsenspekulationsgeschäfte in diesem Umfang tätige, gewerblich handle.
Die von der Börsenmaklerin eingelegte Revision zum BFH gab dem FG München mit Urteil vom 28.11.2007, Az. X R 24/06, recht. Der BFH erklärte ausdrücklich: Wer sich in Ausübung seiner berufl ichen Position ohne Einsatz eigenen Vermögens wie ein Händler am institutionellen Markt bewege, mit den Marktteilnehmern in unmittelbarer Beziehung agiere und dabei Kursdiff erenzen ausnutze, verhalte sich bankentypisch. Wer sich bankentypisch verhalte, agiere „wie ein Profi “, sei also mithin als Gewerbetreibender einzustufen und damit gewerbesteuerpflichtig.
Die Besonderheit war hier allerdings, dass die Börsenmaklerin die eigenen Geschäfte während ihrer normalen Arbeitszeit ohne eigene Mittel mit den anderen Börsenhändlern abwickelte und dabei die erzielten Überschüsse auf das Konto des Arbeitgebers fl ossen, von dem sie später nach einem bestimmten Schlüssel auf die einzelnen Börsenhändler quasi als „Nebenverdienst“ verteilt wurden. Hätten die Entscheidungen des FG München und des BFH anhand dieses Verfahrens Schule gemacht, wären wohl die meisten Daytrader, die sich unter Einsatz bestimmter Trading-Strategien in den Märkten professionell bewegen, schlechten Zeiten entgegen gegangen.
Was ist ein Gewerbebetrieb?
Erfreulicherweise haben die Gerichte diesen Fall nicht zum Anlass genommen, jeden Trader der Gewerbesteuer zu unterwerfen. Vielmehr wurde diff erenziert: So entschied zunächst das FG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 29.03.2007, Az. 2 K 343/04, dass bei der Abgrenzung zwischen der (noch) privaten Vermögensverwaltung und dem gewerblichen Handel in Finanzinstrumenten auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung zu achten ist.
Ein Gewerbebetrieb ist danach gemäß § 15 Abs. 2 EStG eine selbstständige nachhaltige Betätigung in der Absicht, Gewinn zu erzielen. Nach dem Gesetz muss sie sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellen und darf weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als andere selbstständige Tätigkeit angesehen werden. Hinzu kommt nach Ansicht des Gerichts als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass diese Tätigkeit den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschreiten müsse.
Als Anzeichen für einen Gewerbebetrieb gelten demnach der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz berufl icher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiten Öff entlichkeit und andere für die private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen.
In diesem Fall entschied das FG Schleswig-Holstein, dass die hohe Umschlaghäufi gkeit und das hohe Volumen (hier handelte es sich um Käufe und Verkäufe in Höhe von 40 Millionen DM jährlich und einem Wertpapierbestand von rund 3 Millionen DM – es ging um das Jahr 1994, also noch zu DM-Zeiten) die Beurteilung als gewerbliches Handeln rechtfertigten.
Der BFH entschied in der Revision dazu mit Urteil vom 02.09.2008, Az. X R 14/07, dass die hohe Umschlaghäufi gkeit und das hohe Volumen nicht ausreichten, um eine gewerbliche Tätigkeit annehmen zu können. Vielmehr müsse ein „tätig werden für andere“ hinzukommen. Dies erfordere aber eine Erlaubnis nach dem KWG (Kreditwesengesetz) als Institut. Wer über eine solche nicht verfüge, der handle typischerweise im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung, da er dann nur eigenes Vermögen verwalte; es sei denn, er erfülle noch weitere Kriterien, die ihn als Gewerbetreibenden einstufen.
Noch genauer wurde die Tätigkeit der Daytrader in der Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 29.08.2007, Az. 3 K 5109/03 B erfasst, und durch den BFH als Revisionsinstanz dazu vom 24.06.2008, Az. X R 38/07, bestätigt. In diesem Fall hatte, so ausdrücklich die Feststellung des Gerichts, ein gelernter Bankkaufmann ausschließlich auf eigene Rechnung, in eigenem Namen und mit eigenem Geld im Daytrading im Echtzeithandel nachhaltig taggleich An- und Verkäufe von Wertpapieren, überwiegend als Leerverkäufe, getätigt und seine Orders dabei über seine Depotbank beziehungsweise einen Online-Broker platziert.
Merkmale fĂĽr gewerbesteuerfreie Daytrader
Als nicht gewerbesteuerpflichtiger Daytrader handelt derjenige, der folgende Merkmale erfĂĽllt:
• Keine Erlaubnis als Finanzdienstleistungsinstitut nach dem KWG
• Keine Erlaubnis als Wertpapierhandelshaus nach dem WpHG (Hinweis: Wer keine KWG-Erlaubnis hat, kann auch keine nach dem WpHG bekommen)
• Keine Tätigkeit als Finanzunternehmen nach § 1 Abs. 3 KWG
• Kein direkter Handel mit anderen Marktteilnehmern (Gemeint ist: keine Teilnahme am Börsenhandel als nach § 19 BörsG zugelassener Börsenhändler)
• Einsatz ausschließlich des eigenen Vermögens
Unschädlich sind bei dieser Einstufung:
• Daytrading
• Hohe Handelsvolumina
• Leerverkäufe
• Geschäftsmäßige Organisation (Argument des Gerichts: Jeder Privatmann verfüge schließlich über PC, Internet, Handels-Software, Telefon et cetera)
• Berufliche Vorbildung (solange nicht im Rahmen der berufl ichen Tätigkeit mit anderen institutionellen Händlern Geschäfte getätigt werden)
Fazit
Wer also die Art der Geschäftsabwicklung im Daytrading nach der Defi nition des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg gestaltet, und das dürfte die ganz große Mehrheit der Daytrader sein, läuft nicht Gefahr, als Gewerbetreibender eingestuft und damit zur Gewerbesteuer herangezogen zu werden. Allerdings empfi ehlt es sich trotzdem, stets qualifi zierten Rat für den Einzelfall einzuholen.
Ăśber den Autor
Prof. Dr. Klaus F. Bröker ist seit 20 Jahren als Rechtsanwalt auf die Bereiche Banken, Börsen sowie Kapitalmärkte national und international spezialisiert. Er berät in- und ausländische Finanzdienstleistungsinstitute. Bröker ist geprüfter Börsenhändler, lehrt Compliance, bildet Börsenhändler aus und ist Autor zahlreicher Fachbücher und Artikel. Homepage: www.24legal.de Kontakt: broeker@24legal.de
(c) www.traders-mag.com | November 2009 - Traders´ media GmbH, Barbarastraße 31, 97074 Würzburg
Homepage: www.traders-mag.com
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