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Forex - Was bewegt die Wechselkurse? - Der größte Handelsplatz der Welt - Teil 3
Derivate Magazin - Bei der Erklärung von Wechselkursbewegungen spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Dazu gehören beispielsweise die Veränderungen der Zinsdifferenzen, der Handelsbilanzen und der Infl ationsraten. Dazu kommen verschiedene Konjunkturdaten sowie Kapitalfl üsse, charttechnische Konstellationen und weitere psychologische Faktoren. Eine exakte Ursachenforschung, die mit einer Herstellung kausaler Zusammenhänge zwischen diesen Einfl ussfaktoren und den Wechselkursveränderungen verbunden ist, scheint vor allem deshalb aussichtslos, da man erstens nie genau weiß, auf welche Größen sich der Markt aktuell fokussiert und zweitens die Reaktionen auf veränderte Einflüsse stets davon abhängen, wie diese gerade vom Mark interpretiert werden.
Ein Beispiel hierfür ist die EUR/USD-Entwicklung in den Jahren 2002 bis 2006. Nachdem der Euro in den drei Jahren nach seiner Einführung rund ein Drittel an Wert verloren hat, stabilisierte er sich 2001 und begann 2002 seine bis heute andauernde Aufwertung gegenüber der US-Valuta. Diese Entwicklung wurde vor allem auf die historisch hohen Handels- und Leistungsbilanzdefi zite der USA zurückgeführt. 2005 kam es jedoch zu einem Wiedererstarken des Dollars, der sich in dieser Zeit von Kursen über 1,35 auf unter 1,10 erholte, und das, obwohl die Bilanzdaten sich weiter verschlechterten. Als Gründe für die kurze Schwächeperiode des Euros wurden die politischen Unstimmigkeiten auf europäischer Ebene und die kontinuierlich ansteigenden US-Zinsen angeführt. Ab 2006 war hiervon allerdings keine Rede mehr und der Markt konzentrierte sich wieder auf die Export-Import-Missverhältnisse. Dieses Beispiel zeigt, wie potentielle Wechselkursdeterminanten in ihrem Einfl uss schwanken und sich gegenseitig überlagern können.
Die makroökonomische Forschung hat zahlreiche Modelle zur Erklärung und Vorhersage von Wechselkursentwicklungen hervorgebracht. Diese unterscheiden sich einerseits hinsichtlich der berücksichtigten potentiellen Einfl ussfaktoren und deren vermuteter Wirkungsrichtungen und andererseits in der statischen Modellierung von (typischen) Wechselkursverläufen. In dieser Ausgabe konzentrieren wir uns vornehmlich auf die Rolle der Zinsen und der nationalen Preisniveaus bzw. der Infl ationsraten. Es gibt zwei relativ zugängliche Gleichgewichtsbeziehungen, die Kaufkraftparität und die Zinsparität, die das Zusammenspiel dieser grundlegenden Einfl ussfaktoren beschreiben und gleichzeitig den meisten komplexeren fundamentalen Wechselkursmodellen zugrunde liegen. Ausgehend von den empirischen Ergebnissen, die eine dauerhafte Gültigkeit der Zinsparität widerlegen, schauen wir uns einige Zertifikatelösungen an, mit denen sich von diesen Marktanomalien profi tieren lässt.
Wie viel kostet ein Big Mac in Neuseeland?
Wie die Kaufkräfte die Wechselkurse beeinflussen
Nach der Kaufkraftparitätentheorie (engl. Purchasing Power Parity) verhält sich der nominale Wechselkurs zwischen den Währungen zweier Länder so, dass die jeweiligen nationalen Preisniveaus, ausgedrückt in derselben Währung, identisch sind. Demnach soll beispielsweise ein Europäer für einen diversifi zierten Warenkorb in Japan - in Euro umgerechnet - genauso viel bezahlen wie in den USA. Grundlage für diese Beziehung ist das Law of one Price, nachdem sich die Preise identischer Waren aufgrund von Güterarbitrage international nicht unterscheiden.
Kostet z.B. ein iPod in den USA umgerechnet 300 Euro, in Deutschland jedoch 350 Euro, so müsste der Theorie nach ein Arbitragehandel einsetzen, bei dem iPods sowohl von Amerikanern als auch von Deutschen in den USA gekauft, nach Deutschland exportiert und dort wieder verkauft würden. Beide, Amerikaner und Deutsche würden somit verstärkt USD gegenüber dem Euro nachfragen. Die Amerikaner, weil sie ihre Erlöse nach dem Verkauf wieder in USD tauschen würden und die Deutschen, weil sie zunächst einmal USD bräuchten, um die iPods in den USA zu kaufen. Durch die verstärkte Nachfrage von USD würde die amerikanische Valuta solange aufwerten, bis der iPod auch in den USA umgerechnet 350 Euro kosten würde und sich der Handel für beide Seiten nicht mehr lohnen würde. An diesem Punkt wäre die Kaufkraftparität wieder hergestellt.
Vom Big Mac zum fairen Wechselkurs
Die britische Wirtschaftszeitschrift hat diese Überlegungen im so genannten Big Mac-Index umgesetzt (mittlerweile gibt es übrigens auch einen entsprechenden iPod-Index), der seit 1986 berechnet wird. Die Redakteure gehen gemäß der Kaufkraftparität von der Überlegung aus, dass ein Big Mac, der in jedem der 120 Verkaufsstaaten in einer vergleichbaren Qualität angeboten wird, auch überall, in USD umgerechnet, gleich viel kosten müsste. Das Law of one Price gilt für Burger jedoch genauso wenig wie für MP3- Player. So war ein Big Mac 2004 in Hongkong beispielsweise für umgerechnet 1,54 US-Dollar zu haben, während er im Herkunftsland USA 2,90 kostete. Aus diesen beiden Preisen lässt sich nun ein Wechselkurs berechnen, bei dem die Kaufkraftparität wieder ihre Gültigkeit besäße. Und das geht so: Wenn ein Big Mac in Hongkong bei einem USD/HKD-Wechselkurs von 7,81 HKD umgerechnet $1,54 kostet, dann müsste der HKD um 47 Prozent auf 4,14 aufwerten, damit der Burger dort das gleiche kostet wie in den USA.
Der Economist veröffentlicht in regelmäßigen Abständen eine Auflistung dieser Daten für mehr als 70 Länder und leitet daraus für deren Währungen den - nicht ganz ernst gemeinten - Grad an Über- oder Unterbewertungen gegenüber dem US-Dollar ab. Diese „Fehlbewertungen“ sollen dann einen Hinweis darauf geben, in welche Richtung sich die entsprechenden Wechselkurse in Zukunft entwickeln müssten.
In der nachfolgenden Tabelle haben wir einmal die Auswertungen des Economist` vom Mai 2004 für einige ausgewählte Länder dargestellt und um die aktuellen Wechselkurse vom Januar 2007 und die tatsächlich eingetretenen Auf- und Abwertungen ergänzt. Auffällig ist zunächst einmal, wie weit die Wechselkurse von ihren (Big Mac-)Kaufkraftparitäten abweichen können. Erstaunlicherweise sind die vom Big Mac-Index prognostizierten Entwicklungen in vielen Fällen zumindest teildarweise eingetreten. Völlig daneben lag er in der Beurteilung des Schweizer Franken, der isländischen Krone und des Euros. So ließen die Schweizer Burger-Preise 2004 beispielsweise eine Abwertung der Schweizer Valuta in Höhe von 69 Prozent vermuten. Stattdessen kam es bis heute zu einer 15prozentigen Aufwertung. Es stellt sich natürlich die Frage, ob die in der Tendenz richtig gesehenen Entwicklungen größtenteils auf den Einfl uss der abweichenden, nationalen Preisniveaus zurückzuführen sind - die von den Preisen eines Big Macs natürlich nur sehr unzureichend abgebildet werden - oder ob die Wechselkurse während dieser Zeit nicht von ganz anderen Faktoren getrieben wurden. Im Falle des australischen und kanadischen Dollars ist eher letzteres anzunehmen. In diesen Währungsräumen haben in den letzten Jahren aufgrund der hohen Rohstoffnachfrage enorme Kapitalzufl üsse stattgefunden, die wohl zu einem überwiegenden Teil für die Aufwertung der Landeswährungen verantwortlich waren.
Law of one Price – kurzfristig ungültig…
Da der Big Mac jedoch kein handelbares Gut darstellt, bei dem sich im Zuge eines aufkommenden Arbitragehandels Nachfrageverschiebungen für die einzelnen Währungen ergeben könnten, kann hier auch nicht von einer theoretisch fundierten Wechselkursprognose gesprochen werden. Genauso verhält es sich mit zahlreichen Dienstleistungen, deren Preise zum größten Teil von entsprechenden nationalen Lohnniveaus abhängen, die wiederum auf eine internationale Immobilität der Arbeitskräfte zurückzuführen sind. Daneben gibt es zahlreiche Gründe dafür, dass das Law of one Price in der realen Welt selbst dann keine ständige Gültigkeit besitzt, wenn ausschließlich im- und exportierbare Waren berücksichtigt würden. Hier sind es vor allem Handelsbarrieren wie Importzölle oder Transportkosten, die ein und dasselbe Gut im Ausland billiger und im Inland teuerer werden lassen.
In der Wissenschaft und in der Praxis werden die Preisniveaus nicht aus einzelnen Waren wie dem Big Mac oder dem iPod, sondern aus Warenkörben wie z.B. dem Produzentenpreisindex, der in Deutschland regelmäßig vom Statistischen Bundesamt berechnet wird, abgeleitet. Angesichts der teilweise langfristig anhaltenden Kaufkraftabweichungen werden nicht nur die aktuellen Stände, sondern auch die relativen Veränderungen der nationalern Preisniveaus analysiert. Spiegeln die Wechselkursentwicklungen die relativen Veränderungen der nationalen Preisniveaus bzw. der Infl ationsratendifferenzen wider, spricht man von einer relativen Kaufkraftparität. Diese Bedingung impliziert dann einen gleich bleibenden realen Wechselkurs.
…aber langfristig ein Gesetz
Zwar haben die meisten Untersuchungen eine mangelnde kurz- bis mittelfristige empirische Evidenz der absoluten Kaufkraftparität zum Ergebnis, doch ist sie fester Bestandteil vieler makroökonomischer Wechselkursmodelle und wird allgemein als ein langfristiger Gleichgewichtszustand anerkannt. Die beiden folgenden Charts zeigen die Wechselkursentwicklung des Euros gegenüber dem Yen und dem US-Dollar seit 1990 sowie den Verlauf der jeweiligen Gleichgewichtswechselkurse gemäß der Kaufkraftparität. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Wechselkurse nur während relativ kurzer Zeitperioden ihrem fairen Wert entsprechen und sich die meiste Zeit auf davon mehr oder weniger stark abweichenden Niveaus befi nden. Dieser Zustand wird in der Literatur auch als ”Purchasing Power Parity-Puzzle” bezeichnet. Ebenso erkennbar ist jedoch auch, dass die Wechselkurse zumindest langfristig immer wieder zu ihrem Gleichgewichtszustand zurückkehren und diese Tendenz umso ausgeprägter ist, je weiter sie sich von diesem entfernt haben. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die zukünftige Entwicklung von Wechselkursen umso verlässlicher vorhergesagt werden kann, je stärker sie von ihrem makroökonomisch fairen Kurs abweichen.
Dieses spezifi sche nichtlineare Verhalten wurde von einigen neueren wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt und in Form von Prognosemodellen erfolgreich umgesetzt. Stellvertretend sei hier ein Modell von Lutz Kilian und Mark P. Taylor aus dem Jahre 2001 genannt. Ausgangspunkt des Modells sind die nur schwer erklärbaren, beobachteten Verhaltensmuster von Wechselkursen: Wechselkurse weichen mitunter stark von makroökonomischen Fundamentaldaten ab bzw. entfernen sich weit von ihrem fundamentalen Wert. Diese Abweichungen sind oft sehr lang anhaltend und weisen im Gegensatz zu makroökonomischen Variablen eine hohe Schwankungsintensität auf. Die beiden Ökonomen gehen in ihrem Modell davon aus, dass sich viele Akteure auf dem Devisenmarkt schlicht und einfach nicht stur an den makroökonomischen Tatsachen orientieren, sondern ihre Währungsinvestitionen auch von anderen Faktoren wie z.B. markttechnischen Konstellationen abhängig machen. Bei eindeutigen fundamentalen Über- oder Unterwertungen neigen sie aber doch verstärkt dazu, nicht weiter gegen die „vernünftige“ ökonomische Marschrichtung zu spekulieren. Dieses Investorenverhalten setzen sie in einem nichtlinearen ökonometrischen Modell um, das dabei hilft, die teilweise irrational erscheinenden Bewegungen an den Devisenmärkten besser nachvollziehen und sogar teilweise vorhersehen zu können.
Aus einer 2004 durchgeführten Befragung britischer Devisenhändler wird deutlich ersichtlich, wie wenig sich die wichtigsten Marktakteure vor allem kurzfristig für die makroökonomischen Daten zu interessieren scheinen. Auch die Kaufkraftparitäten werden nicht gerade als kurz- bis mittelfristiger Orientierungspunkt betrachtet. Mehr als zwei Drittel der Befragten sprechen ihr auf Sicht von bis zu sechs Monaten keine große Relevanz zu. Für mehr als ein Drittel sind sie auch langfristig kaum ein Thema.
Forex - Der größte Handelsplatz der Welt - Teil 1-8:
- Forex - Wechselkursnotationen - Teil 1
- Forex - Entwicklungen des Währungsmarktes in Zahlen - Teil 2
- Forex - Was bewegt die Wechselkurse?- Teil 2
- Forex - Hohe Zinsen gleich festere Währung? - Teil 4
- Forex - Von Anomalien des Forex-Marktes profitieren - Teil 5
- Forex - Carry-Trade Zertifikate - Teil 6
- Forex - Zins-Zertifikate - Teil 7
- Forex - Exkurs: Makroökonomische Wechselkursmodelle - Teil 8
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