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Forex - Hohe Zinsen gleich festere Währung? - Der größte Handelsplatz der Welt - Teil 4
Warum die erwartete Rendite für alle Währungen gleich sein sollte
Die Zinsparität ist ebenfalls eine wichtige Gleichgewichtsbedingung und fester Bestandteil der meisten fundamentalen Wechselkursmodelle. Die Zinsparität gibt es in einer ungedeckten und einer gedeckten Variante. Die ungedeckte Zinsparität (engl. Uncovered Interest Rate Parity) steht für folgenden Zusammenhang: Betrachtet man Wechselkurse als relative Preise ausländischer Geldanlagen (sog. Asset View), so folgt deren Entwicklung denselben Gesetzmäßigkeiten, wie es die Preise von anderen Investitionsobjekten wie Aktien oder Anleihen tun. Neben dem Risiko und der Liquidität lässt sich die Nachfrage und somit der Preis eines Investments aus dessen zukünftig erwarteter Rendite ableiten. Was für Aktien die Dividenden und für Anleihen die Kupons, sind für Währungen die Zinsen. Im Falle von ausländischen Deviseneinlagen setzt sich diese Rendite aus dem jeweiligen nationalen Zinssatz und der erwarteten Wechselkursentwicklung zusammen. Bei inländischen Währungsbeständen resultiert die Rendite allein aus dem inländischen Zinssatz. Angenommen, das Risiko und die Liquidität spielen bei der Nachfrage von Währungen keine Rolle und Investoren können ihre Währungspositionen unmittelbar und ohne Transaktionskosten an die vorherrschenden Gegebenheiten anpassen, so ist der Devisenmarkt dann im Gleichgewicht, wenn Geldanlagen in verschiedenen Währungen gleich hohe Renditen erwarten lassen.
Ungleiche Währungen – gleiche Rendite
Diese Paritätsbedingung besagt also, dass sich die Wechselkurserwartungen der Marktteilnehmer in den Zinsdifferenzen der jeweiligen Währungsräume widerspiegeln und sich der aktuelle Wechselkurs dieser Beziehung anpasst. Die erwartete Rendite aus einer Geldanlage in eine ausländische niedrigverzinsliche/hochverzinsliche Währung sollte demnach mit der erwarteten Rendite einer inländischen Zinsanlage übereinstimmen. Wie kommt diese Gleichgewichtsbedingung in der Theorie nun zustande? Natürlich passen sich die Zinssätze nicht an den aktuellen Wechselkurs und dessen erwartete Entwicklung an. Vielmehr ist es der WechselWechselkurs, der dafür sorgt, dass das theoretische Gleichgewicht hergestellt ist.
Nehmen wir z.B. an, das jährliche europäische Zinsniveau liegt bei 3, das amerikanische bei 5 Prozent, der EUR/USD-Wechselkurs notiert bei 1,50 Dollar und der Markt erwartet in einem Jahr einen Wechselkurs von 1,55 Dollar, also eine Dollarabwertung. Was würden die Investoren tun? Nun, sie würden die erwarteten Renditen für beide Anlagealternativen berechnen und sich für die lukrativere Variante entscheiden. Der europäische Investor würde bei einer Investition von 100 Euro im Inland eine Rendite von 3 Prozent erzielen und nach einem Jahr über 103 Euro verfügen können. Bei einer Anlage in den USA müsste er seine 100 Euro zunächst einmal in 150 Dollar eintauschen. Bei einer Verzinsung von 5 Prozent käme er nach einem Jahr auf eine Summe von 157,5 Dollar. Gemäß seiner Wechselkurserwartungen entspräche dies einem Betrag von rund 101,61 Euro bzw. einer Rendite von 1,61 Prozent.
Ein US-Bürger kommt bei einer inländischen Anlage auf eine Rendite von 5 Prozent. Eine ausländische Währungsinvestition im Euroraum würde ihm hingegen eine (erwartete) Rendite von rund 6,43 Prozent einbringen. Die Zinsparität wäre in dieser Situation nicht erfüllt. Ausgehend von diesen Berechnungen würde sich sowohl der Europäer als auch der US-Bürger für eine Anlage im Euroraum entscheiden. Um diese Strategie umzusetzen, würden US-Bürger also verstärkt Euro gegen Dollar nachfragen. Durch die erhöhte Nachfrage würde der Dollar gegenüber dem Euro sofort abwerten. Die Nachfrage nach Euro würde solange anhalten, bis sich ein Wechselkurs eingestellt hat, der angesichts des unveränderten, erwarteten Wechselkurses von 1,55 Dollar die Vorteilhaftigkeit einer Euro-Investition zunichte machen würde und es sich für USBürger nicht mehr lohnen würde, ihr Geld in Europa anzulegen. Der Wechselkurs, bei dem die Zinsparität wieder hergestellt wäre, beträgt rund 1,52 Dollar und berechnet sich nach der Formel:
aktueller Kassakurs = erwarteter Wechselkurs x (1+inländischer Zinssatz / 1+ausländischer Zinssatz)
Bei einer angenommenen perfekten Kapitalmobilität und ständigen Gültigkeit der Zinsparität würde sich der aktuelle Wechselkurs bei veränderten Wechselkurserwartungen oder nationalen Zinssätzen unmittelbar anpassen. Die erwartete Wechselkursveränderung entspricht im Gleichgewichtszustand der Zinsdifferenz.
Der Markt schaut voraus!
In diesem Modell lassen sich nun auch die häufi g in der Presse beschriebenen Wechselkursreaktionen auf zinspolitische Entscheidungen erklären. Senkt die amerikanische Zentralbank die Zinsen, so hätte das eine unmittelbare Abwertung des Dollars zur Folge und umgekehrt. In der Realität reicht es für eine Währungsabwertung, wie auf jedem anderen Finanzmarkt auch, bereits aus, wenn vom Markt eine Zinsentscheidung in die eine oder in die andere Richtung erwartet wird. Lediglich die Abweichungen von diesen Erwartungen oder deren Veränderungen im Zeitverlauf haben dann einen Einfl uss auf die Wechselkurse.
Das Problem an dem Modell der ungedeckten Zinsparität ist, dass man seine Gültigkeit praktisch nicht überprüfen kann. Zwar sind die Zinssätze und die aktuellen Wechselkurse bekannt, jedoch scheint es ein aussichtsloses Unterfangen, die Erwartungen des Marktes bezüglich der zukünftigen Wechselkursentwicklungen zu ermitteln. Ähnlich verhält es sich bei der Bestimmung der vom Markt erwarteten Volatilität, die für die Berechnung von modelltheoretisch fairen Optionspreisen benötigt wird.
Die gedeckte Zinsparität
Dieses Problem stellt sich bei der gedeckten Zinsdifferenz (engl. Uncovered Interest Rate Parity) nicht. Hier fungiert der Terminbzw. der Forward-Wechselkurs als das zukünftig erwartete Austauschverhältnis zweier Währungen. Wie bereits erwähnt, steht der Forwardkurs für den Wechselkurs, auf den sich die Marktteilnehmer heute für den Austausch zweier Währungen zu einem späteren Zeitpunkt einigen. Anders als bei der ungedeckten Zinsparität kann die Gültigkeit der gedeckten Zinsparität durch einen direkten Arbitragehandel hergestellt werden, bei dem die Investoren nicht auf ihre erwarteten Wechselkursentwicklungen vertrauen müssen, sondern bereits heute wissen, zu welchem Kurs sie ihre ggf. im Ausland angelegten Währungsbestände zu einem späteren Zeitpunkt zurücktauschen können. Spiegelt der Forwardkurs nämlich nicht die Zinsdifferenz der jeweiligen Währungsräume wider, können Markteilnehmer einen sicheren risikolosen Gewinn (sog. Free Lunch) erzielen.
Free Lunch am Währungsmarkt?
Zieht man das vorherige Beispiel heran und ersetzt den vom Markt in einem Jahr erwarteten Wechselkurs von 1,55 Dollar durch den Forwardkurs in gleicher Höhe, ergibt sich folgende Strategie: Der Amerikaner nimmt einen Kredit in Höhe von 100 Dollar zum heimischen Zinssatz von 5 Prozent auf, transferiert diesen Betrag in Euro (ca. 66,67 Euro) und legt ihn zum Eurozins von 3 Prozent an. Da er weiß, dass dieser Betrag in einem Jahr auf ca. 68,67 Euro anwachsen wird, den er dann wieder in Dollar umtauschen muss, schließt er gleichzeitig einen Forwardkontrakt über den Verkauf von 68,67 Euro für 106,43 Dollar (68,67 Euro x 1,55 EUR/ USD-Forwardkurs) ab. Zahlt er dann mit diesem Betrag in einem Jahr seinen Kredit in Höhe von 105 Dollar zurück, verbleibt ihm ein risikoloser Gewinn von 1,43 Dollar bzw. 1,36 Dollar, auf den heutigen Zeitpunkt abgezinst. Der Terminkurs von 1,55 impliziert demnach einen zu billigen Dollar und einen zu teuren Euro und wird sich ebenso wie im vorherigen Beispiel auf ein Niveau von ca. 1,52 Dollar bewegen, bei dem keine risikolosen Arbitragegewinne mehr möglich sind. Die ungedeckte Zinsparität besagt letztendlich: Wenn auf den internationalen Finanzmärkten vollständige Kapitalmobilität herrscht, dann sollte Arbitrage dafür sorgen, dass die Differenz zwischen Termin- und Kassawechselkurs der Differenz der nationalen Zinssätze entspricht.
Carry-Trader spekulieren auf Ineffizienzen
Bei der gedeckten Zinsparität handelt es sich um die empirisch am besten bestätigte Gleichgewichtbedingung zur Erklärung von Wechselkursen. Minimale Abweichungen werden meist auf Transaktionskosten zurückgeführt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Terminkurs seine ihm angedachte Funktion als modellierter Erwartungswert für zukünftige Wechselkursentwicklungen erfüllen kann bzw. ob neben der gedeckten auch die ungedeckte Zinsparität gilt. Wäre dies der Fall, dann wäre der Terminkurs ein statistisch optimaler Schätzer für den zukünftigen Wechselkurs, und die systematische Erzielung von Überrenditen wäre ausgeschlossen. Dies würde auch den langfristigen Erfolg von so genannten Carry Trades in Frage stellen, bei denen niedrig verzinste Währungen verkauft werden, um damit den Kauf von hochverzinslichen Währungen zu fi nanzieren. Diese Strategie basiert auf der Annahme bzw. der Hoffnung, dass die so erzielten Zinsgewinne nicht durch eine Abwertung der investierten Währung aufgezehrt werden. Den zu erwartenden Erfolg dieser Strategien werden wir im folgenden Abschnitt näher analysieren.
Forex - Der größte Handelsplatz der Welt - Teil 1-8:
- Forex - Wechselkursnotationen - Teil 1
- Forex - Entwicklungen des Währungsmarktes in Zahlen - Teil 2
- Forex - Was bewegt die Wechselkurse?- Teil 2
- Forex - Hohe Zinsen gleich festere Währung? - Teil 4
- Forex - Von Anomalien des Forex-Marktes profitieren - Teil 5
- Forex - Carry-Trade Zertifikate - Teil 6
- Forex - Zins-Zertifikate - Teil 7
- Forex - Exkurs: Makroökonomische Wechselkursmodelle - Teil 8
Dieser Artikel stammt aus dem !DERIVATE MAGAZIN.
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