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Orderbuchscalping

Grundlagen Trading

[Traders' Mag] - Die Weisheiten von Andre Kostolany, sich Aktien für einen längeren Zeitraum ins Portfolio zu legen, funktionieren heute nur noch bedingt. Die Zeiten haben sich gewandelt, auch ein erfolgreiches Engagement an den Börsen unterliegt heute anderen Gesetzmäßigkeiten, als noch vor zehn Jahren. Die Zeit ist schnelllebiger geworden und Informationen haben eine wesentlich geringere „Halbwertzeit“.

Daneben erlauben das Internet und die zunehmende Vernetzung auch privater Haushalte eine enorme Informations-Vervielfachung.
Der französische Ökonom George Anderla hat schon 1974 wissenschaftliche
Untersuchungen über die Veränderungen des Informationsflusses angestellt und ist dabei zu interessanten Ergebnissen gekommen. Mit Beginn der Zeitrechnung dauerte es 1500 Jahre, bis die vorhandene Menge an Information verdoppelt werden konnte. Nach diesen ersten 1500 Jahren benötigte die nächste Verdoppelung nur noch wenige Jahrhunderte und mit Einführung des Computerzeitalters schrumpfte dieser Zeitraum auf etwa fünf Jahre.
Im heutigen multimedialen Zeitalter errechnen Wissenschaftler nur noch einen Zeitraum von einem Jahr für die Verdoppelung des gesamten weltweit verfügbaren Informationspotenzials.

Naturgemäß bedeutet dieser Zuwachs auch, dass sich Kurse an den Börsen schneller bewegen. Schnelle, flächendeckende Verbreitung von Nachrichten, Daten und Fakten sorgen für relativ kurze Zeitspannen, die ein Kurs heute noch auf einem Preislevel verharren kann. In Anbetracht dieser Situation wird auch klar, warum das Beherrschen des Orderbuch-Tradings, des Tradings nach Level II Daten also, heute
für jeden Trader eine immer größer werdende Bedeutung bekommt.

Grundlagen

In den USA werden Orderbuchinformationen in drei Ebenen angeboten: Level I, Level II und Level III. Je nach verwendeter Software lassen sich die einzelnen Ebenen in ihrer Transparenz erheblich erweitern oder verringern, sie bieten also mehr oder weniger Informationen für den Einzelnen. Die Bestandteile eines modernen Level II Fensters sind in Bild 1 anhand des eSignal Level II Angebots dargestellt.

Level I stellt die oberste Ebene der Orderbuchinformation dar und bietet dem Nutzer Informationen über den zuletzt gehandelten Kurs, die Zeit und das gehandelte Wertpapier. Die Kursinformation beruht dabei auf dem zuletzt zustande gekommenen Trade, oder wenn kein Handelsgeschäft zustande kam, auf dem letzten Briefkurs. Dieser Briefkurs
kann von jedem Handelsteilnehmer gestellt sein. Bild 2 zeigt Level I Daten der Tradestation gleich unterhalb der Titelzeile. Dabei ist der Informationsgehalt des eSignal Fensters ausführlicher und lässt sich überdies auch per Programmierung komplett neu einstellen.

Level II stellt die nächste Ebene dar und ermöglicht dem Nutzer eine hohe Transparenz der verfügbaren Marktdaten. Diese Ebene findet ihre Anwendung hauptsächlich im semi-professionellen Bereich.
Neben dem Kurs, der Zeit und dem gehandelten Wertpapier werden in dieser Ebene auch der Emittent der Order, die Positionsgröße, die Akkumulation gleichwertiger Order und andere Informationen bereitgestellt.
Der Informationsvielfalt sind hier nur durch den Softwarehersteller Grenzen gesetzt. In besseren Angeboten finden sich beispielsweise noch grafische Hinweise auf die Veränderungen, die durch den jeweiligen Market Maker vorgenommen werden.

Level III besteht aus den gleichen Teilen wie ein Level II, stellt darüber hinaus aber noch Ordereingabemasken für Broker oder Market Maker bereit. Als Endkunde hat man keinen Zugriff auf ein Level III Angebot, es ist Profis vorbehalten. Gerade für den Anfänger kann ein voll freigeschaltetes Level II Orderbuch sehr verwirrend sein, weshalb es unbedingt anzuraten ist, sich in einigen Trockenübungen oder mit einem guten Lehrer mit der Materie zunächst vertraut zu machen,
bevor man mit realem Geldeinsatz nach Level II Daten handelt.

Level II Bestandteile

Neben den von der Börse gelieferten Daten kann bei entsprechender Programmierung eine Vielzahl von Informationen dargestellt werden, die je nach Ausbildungsstand des jeweiligen Traders eine sinnvolle Erweiterung darstellen kann. Die in Bild 1 dargestellten Informationen beschreiben ein eSignal Level II Fenster.

Level I Daten

Die oberste Zeile des Fensters gibt die sogenannten Level I Daten wieder. Das sind die Daten, die auch über frei verfügbare Kanäle im Internet zugänglich sind, also beispielsweise über Yahoo oder ähnliche Webseiten. Hier werden Daten wie der momentane Kurs, das gehandelte Volumen sowie der letzte abgerechnete Kurs angegeben.

Akkumulation der Positionsgrößen

Die Akkumulation fasst die gehandelten Stückzahlen und die verschiedenen Preislevel grafisch in einer einzigen Zeile zusammen. Auf der linken Seite befinden sich die Käufer, auf der rechten Seite die Verkäufer.
Der gelbe Bereich stellt dabei den sogenannten Inside Bid und Inside Ask dar, also die höchsten Kaufkurse bzw. die niedrigsten Verkaufskurse, die angeboten werden. Hier ist der gelbe Bereich sehr klein, es gibt weder eine Vielzahl von Käufern noch von Verkäufern.

In dem Beispiel zeigt sich ein Übergewicht auf der Verkaufsseite im grünen Farbbereich. Das wird visuell unterhalb der Titelzeile in dem Farbbalken dargestellt. Hier ist der grüne Bereich deshalb so groß, weil die Verkäufer auf diesem Preislevel sehr hohe Stückzahlen anbieten.
Da sich Level II Daten dynamisch ändern, ändern sich auch die Akkumulationen ständig und somit bekommt der Trader einen
guten Überblick über die jeweilige Situation am Markt. Grafisch dargestellt ist, auf welcher Marktseite der größere Druck herrscht.

Level II Daten

Das Herzstück des Orderbuches findet sich im Hauptfenster. Hier sind links alle Käufer und rechts alle Verkäufer dargestellt. Die Detailvielfalt kann je nach verwendeter Software stark variieren, grundsätzlich sind aber Name, Kurs, Positionsgröße und Zeit immer dargestellt. Das Beispiel im Kasten zeigt auch noch, ob das jeweilige Angebot des Marktteilnehmers gerade erhöht oder verringert wurde, zu sehen an dem kleinen grünen oder roten Dreieck, das sich im Preisfenster befindet.
Als Anfänger wird man solche Informationen zunächst nicht benötigen, mit etwas Erfahrung lernt man dann aber die Vorzüge solcher Programminformationen zu schätzen.

Time & Sales

Die rechte Seite zeigt alle Trades, die in dem Wert während des Handelstages durchgeführt werden. Auch hier lässt sich die Detailtiefe verändern, wichtig ist aber der letzte zustande gekommene Kurs, der sich hier ablesen lässt. Im Beispiel sind außerdem noch die einzelnen Bids der Market Maker dargestellt, die dem erfahrenen Trader ein gutes Gesamtbild über die Bewegung einzelner Market Maker geben. Die grünen und roten Einträge sind die jeweiligen Trades. Bild 3 zeigt ein Time & Sales Modul aus der Tradestation. Hier werden keine Market Maker Daten angezeigt, es laufen jedoch alle Trades durch.

Erfahrung

Erfolgreiches Orderbuchscalping stellt die höchste Entwicklungsstufe eines Traders dar und muss sorgfältig erlernt werden. Es ist unabdingbar, sich hierfür mit einem guten Lehrer die erforderlichen Qualifikationen anzueignen. Nicht nur ist der Handel in dieser Form sehr konzentrationsbedürftig, er ist auch sehr schnell und der Trader muss die richtigen Entscheidungen in Sekundenschnelle treffen. Daraus geht auch hervor, dass der Trader die eingesetzte Software perfekt
beherrschen muss. In normalen Level II Fenstern, wie sie im Kasten dargestellt sind, ist die Bedienung mit der Maus viel zu umständlich und langsam. Hier wird mit Hot Keys oder Makros gearbeitet. Die jeweiligen Kauf- und Verkaufsmodalitäten sind auf einzelne Tasten gelegt und es kann sehr schnell gehandelt werden. Dabei werden auch feinste Nuancen in der Änderung einer Order auf einzelne Tasten gelegt, so dass beispielsweise eine Änderung um einen Cent und damit die komplette Neueingabe einer Order über die Tastatur gesteuert wird. Es ist schnell ersichtlich, dass bei dieser Vorgehensweise nahezu die gesamte Tastatur des Computers belegt ist und der Trader sich bei der Eingabe nicht vertun darf, da die Orders ohne Bestätigung sofort an den Markt durchgeleitet werden.

In den frühen Tagen des Kurzfristhandels Mitte der neunziger Jahre war mit dem Level II, also dem Orderbuch einer Börse, insbesondere an den amerikanischen Märkten, sehr viel Geld zu verdienen.
Die hohen Spreads zwischen Angebot und Nachfrage und die geringe Verbreitung der geeigneten Softwareprodukte ermöglichten dem Nutzer erfolgreiche Strategien. Mit der Umstellung der amerikanischen Börsen auf die Dezimaldarstellung wurden aber auch hier die Möglichkeiten eingeschränkt. Heute kann eine Vielzahl von Tradern auf das Orderbuchtrading zurückgreifen, weil viele Softwarepakete die entsprechende Technologie aufweisen. Noch immer sind die Verdienstmöglichkeiten sehr gut, allerdings ist der notwendige Erfahrungsstand sehr viel höher, als er es noch vor ein
paar Jahren war. Der Orderbuchscalper ist vergleichbar mit einem Händler auf dem Parkett.

(c) 2005 Traders´ media GmbH, Beethoven Center, Beethovenstr. 1a, 97080 Würzburg
Homepage: www.traders-mag.com

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