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Optimierung von Handelsstrategien

Grundlagen Trading

[Traders`Mag I Joachim Wolfram fipertec GmbH] - Jeder Trader kommt früher oder später an den Punkt, an dem er versucht, seine Vorgehensweise beim Trading zu systematisieren. Spätestens dann, wenn sich Erfolge nicht reproduzieren lassen, stellt sich die Frage, wie Licht in das Dunkel des Tradingprozesses zu bringen ist. Neben den klassischen psychologischen Faktoren Gier und Angst erschweren unklare Entscheidungsprozesse vor Eröffnung und bei der Positionsgrößenbestimmung eine Verbesserung des Tradingergebnisses. Klare Handelsstrategien helfen hier, die eigene Vorgehensweise zu strukturieren und erlauben eine permanente Verbesserung des Tradings, da die Entscheidungsparameter bekannt sind.

Fortschrittliche Software ermöglicht heutzutage die Formulierung von Handelsstrategien ohne den Einsatz einer Programmiersprache. Dadurch steht es grundsätzlich jedem interessierten Trader offen, sich mit automatisierten Handelsstrategien zu beschäftigen, ohne zuvor einen Programmierlehrgang zu durchlaufen.
Die meisten Trader haben Vorlieben für gewisse Märkte, z.B. weil sie die entsprechende Branche gut kennen oder einfach deshalb, weil sie glauben, der Markt liege ihnen. Gleiches gilt für den Zeithorizont – der eine mag die Schnelligkeit des Daytradings, dem anderen liegt mehr das etwas ruhigere Positionstrading über Tage oder Wochen. In jedem Fall ist es ratsam, sich mit verschiedenen Märkten und Zeithorizonten zu befassen, bevor man sich festlegt.
Wir werden weiter unten sehen, dass geeignete Software hier eine große Hilfe bieten kann, indem sie eine Handelsstrategie automatisiert auf viele Märkte und Zeitebenen anwendet und die Resultate ausweist. Die Regelwerke zum Positionsauf- und abbau sowie zum Bestimmen der Positionsgröße werden sehr häufig isoliert betrachtet.
Während dem Aufspüren von Einstiegsmöglichkeiten in der Literatur der weitaus größte Platz eingeräumt wird, findet man auch Aussagen wie „Geld verdient man nur mit dem Ausstieg“ oder „Ich kümmere mich nur um das Money Management“. Aber offensichtlich macht es keinen Sinn, hier einen extremen Standpunkt einzunehmen, da alle drei Faktoren das Ergebnis einer Strategie nachhaltig beeinflussen. Weitere Komplexität gewinnt eine Handelsstrategie, wenn sie ein ganzes Portfolio von parallel zu handelnden und beobachtenden Werten abdecken soll. Wir werden uns aus Platzgründen daher im Weiteren auf Handelsstrategien für einen Markt beschränken.

Die Ausnahme bestätigt die Regel

Dass ein geeignetes Money/Risk Management den Tradingerfolg wesentlich beeinflusst, kann leicht objektiv nachgeprüft werden. Ob der Trader es einsetzt oder nicht, ist daher letztlich nur eine Frage seiner Disziplin.
Falls die von ihm eingesetzte Tradingplattform diesbezüglich Unterstützung anbietet, wird er diese vermutlich gerne nutzen. Bei dem Punkt ‘Regelwerk zum Aufbau einer Position’ wird es deutlich schwieriger. Hier haben wir genau die weiche Stelle, die die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen so schwierig macht.
Je nach Tagesform und Stimmung neigt der Trader dazu, die gleichen Gegebenheiten unterschiedlich zu bewerten. Nun ist es unbestritten, dass eine gut ausgeprägte Intuition sich durchaus nicht an Regeln zu halten braucht.
Aber wie in jedem Metier gibt es auch beim Trading nur wenige Naturtalente, und selbst der Begabteste hat gute und schlechte Zeiten.
Es muss also darum gehen, ein Regelwerk zu entwickeln, das im Idealfall zu einem vollautomatischen System oder aber zu einem entscheidungsunterstützenden System wird.
Das erstere wird genutzt, wenn man die eigenen Emotionen schlichtweg aus dem Spiel haben will oder wenn man viele Märkte gleichzeitig beobachtet und so schnell handeln muss, dass keine Zeit für manuelle Prüfungen mehr bleibt.
Der andere Ansatz wird gewählt, wenn der Trader die Entscheidungshoheit für sich behalten möchte. Da er seine Intuition nicht komplett in Form von Regeln formulieren kann, behält er sich das letzte Wort vor. Sobald die Regeln formuliert sind, besteht die Möglichkeit, sie mit einer entsprechenden Software auszuwerten. Je mächtiger die Software ist, um so mehr Möglichkeiten zur Beschreibung der Regeln wird sie bieten – dies reicht von der einfachen Verwendung von Indikatoren über die Integration von Fundamentalanalysen bis hin zur Einbeziehung weicher Faktoren, wie z.B. die bevorstehende Aufnahme eines Wertes in einen wichtigen Index.
Die Software kann dann anhand der Regeln die Ein- und Ausstiegspunkte sowie die jeweilige Positionsgröße ermitteln und auf vielfältige Weise darstellen. Soll das System vollautomatisch eingesetzt werden, erhält man unmittelbar Aufschluss über das Ergebnis.
Beim entscheidungsunterstützenden Ansatz ist der Kontext jedes Trades zu prüfen, um so Aufschluss über die Nützlichkeit des Systems zu bekommen.

Konfiguration eine Regelbausteins

Durch einen Konfigurationsdialog kann ohne Programmierkenntnisse festgelegt werden, wie z.B. ein RSI-Indikator eine Handelsstrategie beeinflusst. Das Verlassen der oberen Zone („Überkauft-Zone“) am Ereignispunkt 3 wird mit einem bärischen Impuls versehen, das Verlassen der unteren Zone („Überverkauft-Zone“) am Ereignispunkt 7 mit einem bullischen Impuls.

Parameter einer Handelsstrategie

Fast alle Regeln, die man zum Auf- und Abbau oder zur Positionsgrößenbestimmung verwendet, haben Parameter, deren aktueller Wert nicht Natur gegeben ist. Beispielsweise benötigen fast alle technischen Indikatoren die Angabe, wie viele Perioden für ihre Berechnung verwendet werden sollen, wie beim 200-Tage Gleitenden Durchschnitt.
Fast immer sind weitere Parameter erforderlich. So benötigt der RSI zusätzlich zwei Schwellen, die die so genannten Überkauft- und Überverkauft- Zonen festlegen. Doch damit nicht genug, die Indikatoren und sonstigen Regeln benötigen weitere Angaben, wie sie die Entscheidungsfindung beeinflussen – ist es ein Long oder ein Short Impuls, wenn der RSI in die Überkauftzone eintritt?
Bei all diesen Parametern stellt sich die Frage, auf welche Werte sie sinnvoll eingestellt werden sollen. Sehr häufig steuern die Autoren von Indikatoren Standardwerte bei, die zu guten Ergebnissen führen sollen. Das ist sicherlich gut gemeint, sollte aber nicht allzu ernst genommen werden. Offensichtlich muss die Aussage eines Indikators in den gesamten Handelsansatz eingebettet und entsprechend eingestellt werden.
Es wird somit immer klarer, dass die Erstellung einer Handelsstrategie von sehr vielen Faktoren und Einstellmöglichkeiten abhängt. Da nicht klar ist, welche konkrete Parameterwahl zu einem guten Ergebnis führt, ist man auf die Unterstützung durch Software angewiesen, die genau diesen Punkt transparent macht: Wie ändert sich das Ergebnis einer Strategie, wenn ein Parameter geändert wird? Tatsächlich möchte man aber nicht nur einen Parameter ändern, sondern prinzipiell alle, denn wie könnte man vorher wissen, welche Parameter- Kombination am besten trifft? Wir kommen damit zu einer ersten Sichtweise einer Handelsstrategie, die einem Modell ähnelt (Bild 1).
Das Modell gibt eine gewisse Form vor, die die Handelsidee repräsentiert, z.B. einen trendfolgenden Ansatz. Des Weiteren gibt das Modell für die vorhandenen Parameter Intervalle vor, in denen sie sich bewegen dürfen. Die Intervallgrenzen werden dabei so gewählt, dass sie mit der Handelsidee übereinstimmen. Bestandteil eines Modells sind neben dem Regelwerk für Positionsauf- und abbau auch die Regeln für die Positionsgrößenbestimmung. Ist das Modell auf diese Weise formuliert, kann man es konkret auf folgende Fragen hin untersuchen: Was leistet eine manuell gewählte Einstellung der Parameter? Was ist eine optimale Einstellung der Parameter? Wie gut ist die gewählte Einstellung in der Zukunft?

Komponenten einer Handelsstrategie

Um eine Handelsstrategie zu entwickeln, ist zunächst ein Überblick über die Bausteine nötig, aus denen eine solche Strategie besteht:
· Festlegung der zu handelnden Märkte
· Festlegung des zu handelnden Zeithorizonts
· Ein Regelwerk zum Aufbau einer Position
· Ein Regelwerk zum Abbau einer Position
· Ein Regelwerk zum Bestimmen der Positionsgröße (Money/Risk Management)

Überoptimierung – Ein falscher Begriff

Wir nähern uns jetzt dem Begriff der Optimierung von Handelsstrategien. In der Literatur wird der Begriff Optimierung fast wie ein Schimpfwort verwendet. Das resultiert vermutlich daraus, dass in der Vergangenheit im wesentlichen einfachste Modelle getestet wurden, z.B. Ein-oder Ausstieg beim Kreuzen zweier Gleitender Durchschnitte.
Das Optimierungsresultat brachte auf den betrachteten Daten ein atemberaubendes Ergebnis, versagte aber leider völlig in der Zukunft. Man sprach dann von einer Überoptimierung und verwarf den getesteten Ansatz und stellte fortan Optimierung als ein ungeeignetes Mittel dar. Inzwischen ist es aber an der Zeit, die Optimierung in einem neuen Licht zu sehen. Der technische Fortschritt im Sinne von Rechengeschwindigkeiten von Computern als auch die Software und Optimierungstechnologie erlauben es heute, ganzheitliche Handelsstrategien zu untersuchen, die, wie oben beschrieben, alle Bausteine einer Handelsstrategie abbilden.
Hat man einmal eine Handelsstrategie mit entsprechenden Intervallgrenzen für die Parameter erstellt, ergibt sich die Frage: Wie sollen die Parameter eingestellt werden, damit meine Strategie am besten funktioniert? Idealerweise liefert eine Optimierungsfunktion quasi auf Knopfdruck eine Antwort auf diese Frage, nämlich eine optimale Einstellung der Parameter. An dieser Stelle ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass für die Qualität des Resultats die Optimierungsfunktion selbst ganz und gar unerheblich ist. Die Qualität wird ausschließlich durch die Handelsstrategie bestimmt.
Der Begriff der Überoptimierung ist also völlig unzutreffend. Stattdessen sollte von guten und schlechten Handelsstrategien gesprochen werden. Bei der Wahl einer Software zur Erstellung von Handelsstrategien sollte unbedingt auf Einschränkungen in der Anzahl zu verwendender Parameter geachtet werden.
Viele am Markt gängige Programme weisen hier erschreckende Schwächen auf. Oftmals werden auch naive Optimerungstechniken eingesetzt, die nur kleinste Modelle verarbeiten können.

Optimierungsziele und Restriktionen

Um zu entscheiden, wann eine Parameterkombination einer anderen vorzuziehen ist, benötigt man ein so genanntes Optimierungsziel. Jede Parameterkombination einer Handelsstrategie führt zu einer Sequenz von Trades mit bestimmten Positionsgrößen. Zur Messung der Qualität einer solchen Sequenz wurden sehr viele Kennzahlen eingeführt, z.B. der Nettoprofit, Trefferquote, Profit Target, längste Gewinn-/Verlustserie, Steigung der Kapitalkurve, Expectancy-Score, Fröhlich-Faktor usw.
Eine gute Software zur Entwicklung von Handelsstrategien wird das Optimierungsziel jeweils frei wählbar zur Verfügung stellen. Eine wichtige Erkenntnis bezüglich Handelsstrategien ist, dass der Trader und die Strategie zusammenpassen müssen. Eine Strategie, bei der auch mal sechs Verlusttrades in Folge auftreten können, ist für viele Trader emotional nur schwer zu verkraften und damit letztlich für diese Trader uninteressant. Genauso sind Strategien mit einer zu hohen Volatilität in der Vermögensentwicklung nicht tragbar.
Daher sollten zusätzlich zu den Regeln der Handelsstrategie auch Restriktionen definierbar sein. Eine Parameterkombination wird dann im Rahmen der Optimierung verworfen, wenn die zugehörige Tradesequenz eine oder mehrere Restriktionen verletzt, auch wenn sie ein besseres Ergebnis im Sinne des Optimierungsziels liefert.

Robustheit von Handelsstrategien

Um eine Handelsstrategie zu optimieren, muss auf eine gegebene Kursdatenreihe zurückgegriffen werden. Für diese bekannten Daten wird dann eine optimale Einstellung ermittelt. Wenn es nicht gelingt, auf diesen bekannten Daten eine ansprechende Parametereinstellung zu finden, kann die Strategie sofort verworfen werden. Im Erfolgsfall stellt sich jedoch die Frage, wie sich die Strategie auf unbekannten Daten verhält.
Eine gute Software zur Erstellung von Handelsstrategien unterteilt eine Kursdatenreihe daher in bis zu drei Zeitabschnitte (Bild 2):
• den Optimierungszeitraum – die Daten dieses Zeitraums sind der Optimierungsfunktion bekannt
• den Kontrollzeitraum – auf diesen Daten verifiziert die Optimierungsfunktion die Parametereinstellungen. Über Restriktionen, die speziell für diesen Zeitraum definiert sind, können gewisse Systemeigenschaften erzwungen werden. Die Daten dieses Zeitraums beeinflussen also indirekt über Restriktionen das Optimierungsergebnis.
• den Out-of-Sample Zeitraum – dieser Zeitraum bleibt der Optimierungsfunktion völlig unbekannt und vermittelt dem Trader so einen Eindruck, wie sich die Strategie in der Zukunft entwickeln könnte.
Eine weitere Technik zur Entwicklung von robusten Handelsstrategien basiert auf der so genannten Sensitivitätsanalyse der Parameter (Bild 3). Wenn sich das Handelsergebnis bei einer kleinen Änderung eines Parameters stark ändert, dann ist es unwahrscheinlich, dass diese Parametereinstellung auf kommenden Daten ähnlich gute Ergebnisse bringt, wie im Optimierungszeitraum. Idealerweise können Restriktionen auf die Sensitivität der Parameter definiert werden, so dass die Optimierungsfunktion sehr wackelige Einstellungen sofort verwirft.

Aufteilung einer Datenreihe in Optimierungs-/ Kontroll- und Out-of- Sample Bereiche

Die Grafik veranschaulicht die Vermögensentwicklung einer Handelsstrategie in den verschiedenen Zeiträumen. Das Ergebnis im Kontrollzeitraum beeinflusst über Restriktionen den Optimierungsprozess. Der Rest-Zeitraum vermittelt dann einen Eindruck über das Systemverhalten auf unbekannten (Out-of-Sample) Daten.

Die Adaptive Handelsstrategien

In der bisherigen Betrachtung sind wir nur auf die statischen Aspekte von Handelsstrategien eingegangen, d.h. die Parameter wurden anhand eines einmaligen Erstellungsprozesses ermittelt. Da sich die Märkte und auch die Mechanik der Märkte ständig ändern, ist es zusätzlich interessant, adaptive Strategien zu entwickeln. Derartige Strategien werden periodisch überprüft und neu optimiert, um sich den geänderten Gegebenheiten anzupassen. Dadurch kann besser gewährleistet werden, dass eine Strategie auch langfristig profitabel bleibt. Der Prozess des Adaptierens selbst wird somit Bestandteil der Handelsstrategie. Mittels einer so genannen Walk-Forward Analyse kann dieser gesamte Prozess simuliert und analysiert werden.


Sensitivitätsanalyse

Die Grafik visualisiert für jeden Parameter die Änderung im Optimierungsziel, wenn der Parameter schrittweise geändert wird.
Neben einem visuellen Eindruck der Robustheit können die Kenngrößen als Restriktionen verwendet werden.
Zu wackelige Einstellungen werden so automatisch verworfen.

Zusammenfassung

In diesem Artikel haben wir die Bausteine von ganzheitlichen Handelsstrategien vorgestellt und den Begriff der Optimierung ins rechte Licht gerückt. Die heutige Computer- und Softwaretechnik erlaubt es, weitaus komplettere Handelsansätze zu entwickeln, als jemals zuvor. Die neuen Technologien, wahlweise gekoppelt mit einer automatischen Orderausführung, ermöglichen es heute auch privaten Tradern, parallel und automatisiert in vielen Märkten gleichzeitig zu handeln. Die Erstellung voll automatisierter Handelssysteme oder entscheidungsunterstützender Systeme ist nicht nur eine reizvolle und lukrative Aufgabe, sondern die Beschäftigung mit diesen Ansätzen führt zu einer starken Vertiefung des Verständnisses der Erfolgskomponenten beim Trading. Aus Platzgründen konnten viele Gesichtspunkte der Handelsstrategieerstellung leider nur am Rande angerissen werden. In einer losen Folge weiterer Artikel werden diese Themen aufgegriffen und vertieft.

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