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Halvers Kapitalmarkt Monitor: Die Suche nach dem Hochpunkt im Tiefpunkt der Konjunkturstimmung

R. Halver I Baader Markets - Indizes - 29.09.2014

In Euroland zeigt sich die Konjunkturstimmung weiterhin verhalten. So trübt sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in Euroland auf einen Wert von 50,5 nach 50,7 im Vormonat ein, was auch an der konjunkturellen Moll-Stimmung in Deutschland liegt. Denn hier setzt der Einkaufsmanagerindex seine Talfahrt von aktuell 50,3 nach 51,4 im Vormonat fort und liegt damit nur noch knapp über der Expansion anzeigenden Schwelle von 50.

Deutsche Wirtschaft in Moll

Die konjunkturelle Moll-Stimmung unterstreichen auch die letzten ifo Geschäftszahlen von September. Der ifo Geschäftsklimaindex trübte sich zum fünften Mal in Folge auf 104,7 nach 106,3 im Vormonat ein. Die ifo Geschäftserwartungen signalisieren für die deutsche Industrie mit einem Rückgang auf 99,3 - dem niedrigsten Stand seit Dezember 2012 - zukünftig schwieriges Fahrwasser. Der schwerpunktmäßig befragte deutsche Mittelstand fürchtet einerseits eingetrübte Wirtschaftsperspektiven mit Russland und andererseits hartnäckige Bremseffekte aus der lethargischen Euro-Wirtschaft. Allerdings zeigen sich die deutschen Auftragseingänge bislang unbeeindruckt.

Selbst deutscher Konsum nicht mehr robust

Der bislang so robuste deutsche Konsum zeigt sich von den geopolitischen Krisen beeindruckt. Der GfK Konsumklimaindex, die GfK Anschaffungsneigung und vor allem die GfK Konjunkturerwartungen geben nach. Über eine schwächere deutsche Nachfrage ist hiervon auch die Exportwirtschaft in der Euro-Peripherie betroffen.

Wo die Not am größten, ist die EZB am nächsten

Da die konjunkturelle Not in der Eurozone offensichtlich noch nicht so groß ist, dass sich die verantwortlichen Politiker - abgesehen von verbalerotischen Lippenbekenntnissen - noch nicht zu ernsthaften Reformen durchringen konnten, bleibt der Konjunktur-Ball im Spielfeld der EZB liegen. Die aktuell bestenfalls Stagnation versprechenden Wirtschaftsperspektiven zwingen die EZB nach der Befriedung der Euro-Staatsschuldenkrise sich jetzt dem weitaus größeren Problem, der Euro-Konjunkturkrise, zu widmen. Die bisherigen, konventionellen geldpolitischen Mittel blieben weitestgehend wirkungslos. Deflationstendenzen in der Euro-Peripherie sind unverkennbar. Die EZB setzt jetzt auch unkonventionelle Instrumente ein. Mit dem im Oktober startenden Aufkaufprogramm kreditbesicherter Wertpapiere (ABS) steht die EZB erst am Anfang einer ausgedehnten Liquiditätshausse.

Nach dem Vorbild der US-Notenbank, die sich schon vor Jahren zu dieser geldpolitischen Maßnahme gezwungen sah, wird die EZB, um tatsächlich konjunkturelle Wirkung zu erzeugen, auch am Ankauf schlechterer Bonitäten nicht vorbeikommen. Warum sollten Banken gute Kredite abgeben, die sie nicht belasten? Die schlechten Kredite der Banken, vor allem die Immobilienkreditaltlasten, müssen entsorgt werden, die wie Bleiwesten die auf Rezessionsniveau liegende Kreditvergabe in der Eurozone erschweren.

Schwellenländer - Nach der Pionierzeit trennt sich die Spreu vom Weizen

Auch 13 Jahre nach der Etablierung des Begriffs „BRIC-Staaten“ verfügen die Schwellenländer im Vergleich zu den etablierten Industriestaaten über solide Fundamentaldaten. Sie hätten grundsätzlich kein Problem, dass euroländische Maastricht-Kriterium einer Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent zum BIP zu erfüllen und erzielen gleichzeitig auch noch Wirtschaftswachstumsraten von drei Prozent und mehr.

Asiens Emerging Markets sind besser aufgestellt

China betreibt einen Strukturbruch seiner bisherigen Wirtschaftspolitik. Das Land hat den Pfad der einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit von Export und Investitionen verlassen und wendet sich stärker der Binnenkonjunktur, dem Konsum zu. Dies ist zwar gleichbedeutend mit geringeren Wirtschaftswachstumsraten, jedoch fallen diese nachhaltiger aus und stabilisieren die chinesische Volkswirtschaft insgesamt. Mit dieser Kursänderung will Peking unbedingt die leidvollen Erfahrungen Japans verhindern, das sich in seiner wirtschaftlichen Sturm- und Drang-Zeit zu sehr auf Export und Immobilieninvestitionen konzentrierte und dann in der Wirtschaftskrise Anfang der 90er-Jahre nicht auf die Stabilität des Konsumsektors zurückgreifen konnte. Aber auch in Indien sind die Weichen für eine konjunkturelle Reifung gestellt. Die neu gewählte Regierung unter Premierminister Modi will eine reformfreundliche Wirtschaftspolitik betreiben. Investitionen in Infrastruktur- und Energieprojekte - übrigens in Kooperation mit chinesischen Unternehmen - sind bereits auf den Weg gebracht.

Grundsätzlich zeichnen sich die südostasiatischen Schwellenländer durch reifende politische Rahmenbedingungen aus. Sie lösen sich von der Rohstoffabhängigkeit und legen ihren Fokus konsequent auf zukunftsträchtige Industrie- und Technologiegüter. Auch Indonesien richtet seine Wirtschaftspolitik nach den Parlamentswahlen wieder auf die Verbesserung der Standortqualitäten aus. Thailand profitiert von seiner wachsenden Mittelschicht und ehrgeizigen Investitionsplänen. Malaysia entwickelt sich zum Zentrum der Technologie- und Chemieindustrie. Das wirtschaftliche Schwergewicht Südkorea ist ohnehin ein Global Player im Automobil- und High Tech-Sektor. Ergänzt wird das Wachstumspotenzial dieser Länder nicht zuletzt durch das mittlerweile professionell funktionierende Freihandelsabkommen der Gemeinschaft südostasiatischer Staaten (Association of Southeast Asian Nations, kurz ASEAN). Sicherlich hängt das Wirtschaftsschicksal Asiens nicht zuletzt von der Konjunkturentwicklung in China ab. Nach Einschätzung des IWF verfügt China jedoch über genügend fiskalische und geldpolitische Möglichkeiten, ein Wachstum deutlich über dem im Fünf-Jahres-Plan festgeschriebenen Ziel von 7 Prozent zu erreichen. Die Regierung in Peking wird die Wirtschaft während des Transformationsprozesses von einer investitions- und immobiliengetriebenen zu einer stärker konsumorientierten Wirtschaft mit gezielten Unterstützungsmaßnahmen und damit die gesamte Region stützen. Sinnbildlich für die Zukunftsperspektive des chinesischen Konsummodells ist auch der Börsengang der chinesischen Internethandelsplattform Alibaba. Und noch immer haben 500 Millionen Chinesen keinen Zugang zum Internet.

Brasilien mit wirtschaftlichen Ladehemmungen

Eine solche zukunftsweisende Weichenstellung in Richtung Industriestaat lässt in Brasilien noch auf sich warten. Die brasilianische Wirtschaft ist in die Rezession abgedriftet. Das Land hat sich noch nicht von seiner massiven Rohstoffabhängigkeit lösen können. Die politische Lähmung verhindert die Beseitigung der strukturellen Standortprobleme zusätzlich. Dringend erforderliche Investitionen in die Infrastruktur insbesondere auch in punkto Ausbau von effizienten Transportwegen für den Rohstoffsektor bleiben aus. Zudem leidet Brasilien unter einer chronisch hohen Inflation, die binnenwirtschaftliche Kaufkraft abschöpft. Eine die hohen Preissteigerungsraten bekämpfende Geldpolitik sorgt für weitere konjunkturelle Reibungsverluste. Die Hoffnungen fußen auf einem wirtschaftsfreundlichen Regierungswechsel am 5. Oktober.

Dem gegenüber avanciert Mexiko zum Musterschüler Lateinamerikas. Als Nachbarstaat zu den USA profitiert das Land von seinem Status als Produktionsstandort für die US-Autoindustrie. Mittlerweile ergreift die mexikanische Regierung auch tiefgreifende Strukturreformen. Mit der Etablierung einer Arbeitslosen- und Rentenversicherung erhöht sie die Anreize für formale Beschäftigung. Zudem öffnete sie den Energiesektor für private und ausländische Investitionen mit positiven Ausstrahleffekten auf die gesamte mexikanische Industrie.

Schwellenländer-Aktien: Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft

Das wirtschaftliche Bild der Schwellenländer spiegelt sich auch an den Aktienmärkten wider. Seit dem allgemeinen Einbruch der Schwellenländer im Zuge der vermeintlichen Liquiditätsverknappung (Tapering) der US-Notenbank im Frühjahr und Sommer 2013 haben sich auf Euro-Basis vor allem die wirtschaftsstarken Länder Indien, Thailand, Mexiko, Malaysia, China und Südkorea kräftig erholt, während Brasilien deutlich zurückgeblieben ist. Anleger sollten ihren Fokus weiter auf zweifelsfreie Fundamentalqualitäten legen. Zwischenzeitlich volatile Kursbewegungen sind aufgrund u.a. der geopolitischen Großwetterlage grundsätzlich einzukalkulieren. Der russische Aktienmarkt ist geopolitisch - auch aufgrund des Währungsrisikos des Rubels - nur schwer einzuschätzen und insofern risikoreich. Euro-Anleger kommen bei Engagements in den Emerging Markets in den Genuss von zusätzlichen Währungsgewinnen. Denn aufgrund der ultralockeren Geldpolitik der EZB ist für die nächsten Jahre eine Abwertung des Euros auch gegenüber den Währungen der Schwellenländer zu erwarten.

Angst der Schwellenländer vor der Zinswende in den USA kaum angebracht

US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen weiß, dass eine massive Leitzinserhöhungsphase insbesondere die Schwellenländer über Kapitalabzug hart treffen würde. Denn in Folge inverser US-Zinsstrukturkurven 2001 und 2007/2008 - bei denen die Notenbankzinsen oberhalb der Anleiherenditen lagen und insofern ein unattraktives Investitionsumfeld bereiteten - brachen nicht nur die Kapitalmärkte der Schwellenländer ein, sondern litten anschließend auch deren Realwirtschaften. Insofern wird die Fed über ihre Notenbankzinssteuerung zukünftig alles unternehmen, um die Zinsstrukturkurve auch zum Wohle der kaufkräftigen Volkswirtschaften der Emerging Markets steil zu halten. Ansonsten schnitte sich Amerika in das eigene Fleisch: Mittlerweile sind die Schwellenländer zu einem umfänglichen Exportmarkt für US-Produkte und Dienstleistungen geworden.

Die unterschiedliche Attraktivität der Aktienmärkte in Asien und Lateinamerika kommt auch in deren Aktienbewertungen zum Ausdruck. So knüpfen die Bewertungen asiatischer Aktien - Basis MSCI Emerging Marktes Asia Index - wieder an ihr Niveau vor der Finanzkrise an. In Lateinamerika hingegen ist die Bewertung - Basis MSCI Emerging Marktes Latin America Index - nach wie vor verhalten.

Aktuelle Marktlage

Unsicherheitsfaktoren an den Börsen bleiben zunächst die Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten. Hinzu kommt die Zinsangst in Großbritannien. Der Chef der Bank of England denkt laut über Zinserhöhungen nach. Es ist zu hoffen, dass er die Konsequenzen bedenkt. Denn das Vereinigte Königreich ist sehr einseitig von seiner zinssensitiven Finanzindustrie und Immobilienwirtschaft abhängig. Das industrielle Standbein ist dagegen sehr schwach.

Die aktuelle Marktlage spiegelt sich auch in der Entwicklung der Anlageklassen seit Jahresbeginn - in Euro gerechnet - wider. Beflügelt von der robusten US-Konjunkturlage und in Erwartung, dass eine massive Zinswende der US-Notenbank wie in früheren Zinserhöhungszyklen nicht bevorsteht, ist der US-Aktienmarkt der Top-Performer. Von den wieder in den Vordergrund rückenden Wachstumspotenzialen profitieren Aktien der Schwellenländer. Der in US-Dollar notierte Goldpreis wird von der Abwertung des Euros unterstützt. Japanische Aktien profitieren trotz Yen-Schwäche von der offensiven Liquiditätspolitik der Bank of Japan. Rohstoffe und hier insbesondere Rohöl der Sorte Brent zeigen sich von einer Überversorgung am globalen Ölmarkt und einer strukturellen Angebotserweiterung über Fracking belastet.

Und was passiert in der nächsten Woche?

In China dürfte der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe auf verhaltenes, aber zumindest stabiles konjunkturelles Fahrwasser hinweisen. In den USA deuten die Auftragseingänge in der US-Industrie auch nach einem kleinen Rücksetzer im August auf eine Fortsetzung der US-Konjunkturerholung hin. Entsprechend freundlich zeigt sich auch der ISM Index für das Verarbeitende US-Gewerbe. Die stabile Konjunkturlage findet Niederschlag in positiven US-Arbeitsmarktdaten.

Die EZB wird auf ihrer Sitzung Details zu ihrem ABS-Aufkaufprogramm geben.

Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. - www.bondboard.de

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