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Halvers Kapitalmarkt-Monitor: Die US-Leitzinswende bleibt weiter so unnötig wie ein Kropf
R. Halver I Baader Markets - Indizes - 02.11.2015
Die Fed hat die Zinsen auf ihrer kürzlichen Sitzung nicht erhöht. Allerdings will sie auf ihrem Jahresschlusstreffen am 15. und 16. Dezember überprüfen, ob die bis dahin einlaufenden Daten eine Zinserhöhung rechtfertigen. Diese „falkenhafte“ verbalerotische Neuausrichtung ist vor allem der Glaubwürdigkeit der US-Notenbank geschuldet. Frau Janet Yellen spricht seit ihrem Amtsantritt von der Leitzinswende, hat sie bislang aber mit teilweise sehr nebulösen Argumenten nicht vollzogen. Damit hat ausgerechnet die Fed als bedeutendste Institution der Finanzwelt die Kapitalmärkte massiv verunsichert.
Im Dezember muss sie definitiv Farbe bekennen. TTV - Täuschen, Tarnen, Verstecken - geht dann nicht mehr. US-volkswirtschaftlich sind die Argumente für die Leitzinswende rar gesät. Die seit Jahresbeginn bereits schrumpfenden Auftragseingänge verzeichneten zuletzt sogar den schärfsten Einbruch seit Ende 2009. Dieser neue Höhepunkt der US-Investitionszurückhaltung ist u.a. der Dollar-Aufwertung und Konjunkturschwäche der Emerging Markes geschuldet, die als Hemmschuh auf die US-Exportindustrie wirken. Auch die unter schwachen Energiepreisen leidende US-Ölindustrie hält sich mit neuen Investitionen zurück.
Spiegelbild dieser Entwicklung ist ein an Robustheit verlierender US-Arbeitsmarkt. Der von der US-Notenbank veröffentlichte, 19 Subindikatoren beinhaltende Labor Market Conditions Index hat sich seit Ende 2014 im Trend verschlechtert. Gemäß historischem Zusammenhang ist zukünftig mit einem rückläufigen Beschäftigungsaufbau im Verarbeitenden Gewerbe zu rechnen. Die Industrie mit ihrem vergleichsweise hohen Anteil an qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen ist grundsätzlich von großer Bedeutung für die US-Binnennachfrage. Die gewachsene Anzahl an „Schiffschaukelbremser-Jobs“ ist kein Anzeichen für einen robusten Arbeitsmarkt.
Die Fed steht auch in weltkonjunktureller Verantwortung
Vor dem Hintergrund der aktuell angeschlagenen Stimmung in den Schwellenländern Asiens und Südamerikas mit spürbaren Kollateralschäden auf die US-Konjunktur hat die Fed keine Veranlassung, die Leitzinsen zu erhöhen. Auch wenn die Fed in ihrem letzten Statement die internationale Dimension ihrer Zinspolitik zurückgenommen hat, sollte sie in bester Erinnerung haben, dass ihre Leitzinserhöhungsrunde von 2004 bis 2006 die Konjunkturstimmung weltweit in Mitleidenschaft gezogen hat. Und damit hat man auch der US-Volkswirtschaft keinen Gefallen getan.
Bei Zinserhöhungen der US-Notenbank und eines daraufhin aufwertenden US-Dollars haben globale Investoren gleich zwei Argumente, Kapital aus Asien oder Lateinamerika abzuziehen und in den attraktiven US-Anlagehafen zu bringen. Damit fehlen jedoch in den Schwellenländern ausländische Investitionsmittel, was dort zukünftiges Wachstum behindert. Mittlerweile hat sich allerdings an den Finanzmärkten die Meinung durchgesetzt, dass die erste US-Zinserhöhung - wenn überhaupt - frühestens im Frühjahr 2016 erfolgt.
Diese Einschätzung findet auch in einer zuletzt bereits zu beobachtenden Stabilisierung der Währungen der Schwellenländer zum US-Dollar positiven Niederschlag. Die mehrheitlich auf US-Dollar-Basis aufgenommenen Auslandsschulden sind daher leichter zu bedienen. Zu den Hauptprofiteuren gehören Indonesien und Südkorea.
Im Übrigen würde ein nicht weiter aufwertender US-Dollar die Rohstoffpreise stabilisieren. Da in US-Dollar notiert, stehen beide aus Gründen der Preisabsicherung in konträrem Verhältnis zueinander.
Bei Ausbleiben der Zinswende schlägt die Fed zwei Fliegen mit einer Klappe. Höhere Rohstoffpreise garantieren zunächst höhere Einnahmen der Rohstoffländer, die der Weltkonjunktur und den USA zugutekommen. Denn über den Preisverfall bei Öl und Industriemetallen beträgt der Kaufkraftverlust dieser Länder in diesem Jahr bereits 1,6 Bill. US-Dollar.
Gleichzeitig erhöht die Fed damit die Inflationserwartungen, die sich auf einem mehrjährigen Tiefstand befinden. Woher kommt die Berechtigung für eine US-Zinserhöhung?
US-Staatsverschuldung muss bezahlbar bleiben
Bei Beibehaltung des aktuell niedrigen Zinsniveaus sorgt die Fed nicht zuletzt für ein insgesamt günstiges Kreditumfeld. Historisch betrachtet entwickeln sich Leitzinsen und Anleiherenditen im Trend gleichläufig.
Wenn US-Staatsanleihen ihr aktuelles Niedrigzinsniveau konservieren, ist auch zukünftig eine problemlose Refinanzierung der hohen US-Staatsverschuldung gewährleistet. Bisher hat die amerikanische Geldpolitik der US-Volkswirtschaft bei der Verschaffung von Finanzierungsvorteilen gute Dienste geleistet: Obwohl sich die US-Verschuldung von 1993 bis 2015 mehr als vervierfacht hat, sind die 10-jährigen Renditen von US-Staatsanleihen von ehemals fast 20 Prozent auf aktuell zwei Prozent gefallen.
Aktuelle Marktlage: Aktien sind wieder in der Spur
Die Fed sollte sich nicht wie ein trotziges Kind aufführen und eine Zinserhöhung nur deshalb durchführen, um der Finanzwelt zu zeigen, dass sie es kann. Sollte die Fed dennoch die Zinsen im Dezember erhöhen, sollte sie aber so weise sein, dass sie die Märkte anschließend dahingehend beruhigt, zukünftig nur homöopathisch restriktive Zinspolitik zu betreiben. Eine wirklich restriktive US-Geldpolitik darf kein Charakterzug der Finanzmärkte werden. Alles andere wäre fatal. Die Fed sollte sich ihrer tragenden Rolle bei der Stabilisierung von Weltkonjunktur und Finanzmärkten sowie zur Deflationsbekämpfung sehr bewusst sein. Die Aktienmärkte werden insofern durch sie geldpolitisch, aber auch zunehmend fundamental unterstützt.
Sicherlich verunsichert die wenig dynamische chinesische Konjunkturverfassung. Stützend wirkt allerdings, dass Peking in seinem neuen Fünf-Jahres-Plan vor keiner noch so planwirtschaftlichen Maßnahme zurückschreckt, um wirtschafts- und finanzpolitisch massiv gegenzusteuern.
Ein Übriges tut die eindeutig konjunkturfördernde Geldpolitik der EZB. Sie schwächt den Euro und stärkt die Exportindustrie. Für die Stimmung in der deutschen Industrie ist dies insgesamt förderlich wie die ifo Geschäftserwartungen bereits antizipieren. Auch die robuste Entwicklung des MDAX als Sammelbecken konjunktur- und exportreagibler Aktien zeugt von dieser positiven fundamentalen Einschätzung.
Der Bewertungsvergleich mit Zinsanlagen spricht auch für Aktien. Wendet man auf beide Anlageklassen die Bewertungsmethode Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) an, ist der DAX mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 13 bewertet. Das mag absolut keine geringe Bewertung sein. Doch wenn Staatsanleihen auf Basis der deutschen Umlaufrendite mit einem Wert von 300 aufwarten, erkennt man zügig die wirklich völlig überbewertete Anlageklasse.
Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50: Die Erholung geht weiter
Aus charttechnischer Sicht warten im DAX die nächsten bedeutenden Barrieren in der Kurslücke zwischen 11.154 und 11.278 Punkten. Innerhalb dieser Lücke leistet der seit April bestehende Abwärtstrend bei aktuell 11.228 Punkten Widerstand. Darüber liegen weitere Hürden bei 11.600 und 11.800 Punkten. Auf der Unterseite wartet im Fall einer Korrektur die nächste Unterstützung bei 10.652 Punkten. Darunter gibt die Kurslücke zwischen 10.587 und 10.508 Punkten und die starke Unterstützung bei rund 10.200 Punkten Halt.
Im Euro Stoxx 50 liegt die erste Widerstandszone zwischen 3.417 und 3.473 Punkten. Wird diese nachhaltig überwunden, ist der Weg bis zur Kurslücke zwischen 3.580 und 3.602 frei. Dieser wird durch den mittelfristigen Abwärtstrend bei zurzeit 3.594 Punkten noch verstärkt. Unterstützung findet das Barometer dagegen in der Zone zwischen 3.325 und 3.290. Die nächste nennenswerte Auffanglinie verläuft darunter bei rund 3.200 Punkten.
Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. - www.bondboard.de
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