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Hüfners Wochenkommentar: "Ein weiteres Argument für Herrn Draghi"

Börse Frankfurt - Indizes - 21.09.2017

21. September 2017. MÜNCHEN (Assenagon). Eigentlich hatten alle erwartet, dass der Brexit eine Katastrophe für die EU würde. Zum ersten Mal verlässt ein Mitglied die Union und stellt damit die Unverbrüchlichkeit der Integration in Frage. Andere Mitglieder könnten folgen und damit zu einer Erosion der gesamten Gemeinschaft führen. Der Handel mit einem so wichtigen Partner wie Großbritannien würde sich verringern. Das müsste dann auch negative Folgen für die Konjunktur haben.

Und was ist passiert? Aus heutiger Sicht muten all die Diskussionen vor einem Jahr wie ein Sturm im Wasserglas an. Es kam ganz anders. Die EU hat wieder Oberwasser bekommen. Sie steht heute trotz Brexit so gut da wie schon lange nicht mehr da. Keiner will mehr austreten (die Probleme in Katalonien sind ein innerspanisches Problem). Dazu tragen sicher viele Faktoren bei. Aber der Brexit hat zumindest nicht geschadet, in einigen Fällen nutzte er der EU sogar. Wo viele Prognosen freilich richtig waren, ist beim Vereinigten Königreich selbst. Es ist in ein Loch gefallen.

Euroraum überholt UK

Wachstum des realen BIP, UK und Euroraum, Q2 2016 = 100, Quelle: Eurostat

Schauen wir uns das genauer an. Konjunkturell sieht es in der EU gut aus. Das Wachstum ist hoch. Die EU hat Großbritannien seit Anfang des Jahres bei der Zunahme des realen BIP überholt (siehe Grafik). Interessant ist, dass selbst die europäischen Exporte nach Großbritannien trotz des ungünstigeren Wechselkurses und trotz der langsameren Expansion seines Binnenmarkts nicht stärker zurückgehen.

Das zeigt, dass das Vereinigte Königreich viele Güter, die es braucht, gar nicht mehr selbst produziert und sie daher in jedem Fall importieren muss.

In die gleiche Richtung gehen die strukturellen Veränderungen, die sich derzeit vollziehen. Eine für mich überraschend große Zahl an internationalen Banken hat bereits angekündigt, dass sie Teile ihres Londoner Geschäfts auf den Kontinent verlagern würde. Weitere werden folgen. Sie wollen damit nicht nur sicherstellen, dass sie ihre Produkte auch in Zukunft in der EU vertreiben können. Sie wollen auch das lukrative Euro-Clearing nicht verlieren, das in Zukunft aller Voraussicht nach allein auf dem Kontinent erlaubt sein wird. Die Hessische Landesbank rechnet damit, dass bis Ende nächsten Jahres mindestens 2.000 Stellen nach Frankfurt verlagert werden, nach mehreren Jahren mindestens 8.000. Das ist für den Finanzplatz London mit über 300.000 Bankern eine kleine Zahl. Sie gibt Frankfurt aber einen erheblichen Schub. Auch andere Finanzplätze auf dem Kontinent, einschließlich Irland, werden profitieren.

Ähnliches wird sich auch in anderen Branchen vollziehen. Das Vereinigte Königreich war in der Vergangenheit immer ein begehrter Standort für Direktinvestitionen. Von dort aus konnte nicht nur der britische Markt bedient werden. Die Investoren hatten gleichzeitig auch Zugang zum gesamten Kontinent. Großbritannien war daher in den letzten Jahren der bei Weitem größte Empfänger von Direktinvestitionen in der EU. Das wird künftig anders sein. Weniger Kapital wird nach UK fließen, mehr in die Länder auf dem Kontinent. Auch das hilft der Gemeinschaft.

Es gibt zudem Anzeichen, dass die Wanderung vom Kontinent nach Großbritannien geringer wird und dass Fachkräfte aus der EU die Insel verlassen. Das ist für die Europäer ein Gewinn. Sie haben mehr qualifizierte Arbeitskräfte, die gerade in Deutschland dringend gebraucht werden. Es handelt sich bei den Betroffenen zudem häufig um Besserverdienende, die mit ihrer Nachfrage auch die Konjunktur stützen. Für Großbritannien ist es ein Verlust, weil sich viele Unternehmen auf ausländische Arbeitnehmer verlassen. Auf manchen Baustellen kommen drei Viertel der Arbeiter aus dem Ausland.

Schließlich leidet auch die Integration in Europa nicht. Im Gegenteil. Der Entschluss der Briten zum Brexit hat mit dazu beigetragen, dass inzwischen in der EU mehr Anstrengungen unternommen werden, der Gemeinschaft neuen Schub zu verleihen. Manches, was bisher am Widerstand der Briten gescheitert ist, wird jetzt möglich (zum Beispiel eine stärkere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigung). Der Kommissionspräsident brachte letzte Woche sogar die Idee auf, den Euro auf alle Mitglieder auszuweiten. Damit ist er freilich weit über das Ziel hinausgeschossen. So etwas geht gar nicht.

Freilich sollte man bei einem Urteil über den Gesamteffekt des Brexit vorsichtig sein und kurzfristige Bewegungen nicht überbewerten. Erstens ist all das nur ein Zwischenstand. Bis zum endgültigen Austritt Großbritanniens kann und wird noch viel passieren. Zweitens ist der Brexit für Europa trotz aller erwähnten Effekte nichts Gutes. Großbritannien gehört zu Europa. Es wird immer ein Nachbar bleiben. Es hat wirtschaftlich und politisch Qualitäten, die der Gemeinschaft fehlen werden. Wir sollten uns daher nicht darüber freuen, wenn es den Briten durch den Brexit schlechter geht. Im Gegenteil wäre es gut, ihnen bei den Verhandlungen zu helfen, ein für beide Seiten auskömmliches Ergebnis zu finden.

Drittens sollte man bei aller Freude, dass es der EU besser geht, nicht vergessen, dass die Gemeinschaft noch lange nicht über den Berg ist. Im nächsten Jahr wählen die Italiener ein neues Parlament. Die Befürworter eines Italexit haben Chancen auf einen Wahlsieg. Frankreich hat zwar mutige Reformen angestoßen; noch ist aber unsicher, ob sie auch die erwünschten Erfolge haben werden. Innerhalb der EU sind die Spannungen mit Osteuropa gewachsen.

Für Anleger...

...sind die guten Nachrichten vom Kontinent ein Kaufsignal auf den Märkten der EU und die schlechten von der Insel ein Verkaufssignal britischer Werte. Dabei darf man allerdings den Wechselkurs nicht vergessen. Der Euro-/Pfund-Kurs dürfte sich - wenn es nicht große Überraschungen gibt - unter Schwankungen weiter in Richtung Parität entwickeln.

21. September 2017, © Assenagon
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem "Europa – Die Macht von Morgen" (2006), "Comeback für Deutschland" (2007), "Achtung: Geld in Gefahr" (2008) und "Rettet den Euro!" (2011).

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

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