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Halvers Woche: "Ist die Geldpolitik mit ihrem Latein am Ende?"

Börse Frankfurt - Indizes - 09.10.2015

Börse Frankfurt Kolumne

9. Oktober 2015. MÜNCHEN (Baader Bank). Im 16. Jahrhundert glaubten „Goldmacher“ und ihre vor allem adeligen Auftraggeber tatsächlich, man könne aus Billigmetallen durch Alchemie Gold herstellen. Trotz eines immensen Aufwands und viel Geld der nicht ganz selbstlosen Gönner waren diese Versuche bis heute leider erfolglos.

Auch die Notenbanken glaubten lange Zeit, alchemistische Allmacht zu besitzen, um, vorbei an physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten, Gold im Sinne prosperierender Volkswirtschaften zu schaffen. Auch sie waren letztlich nicht erfolgreich. So wird die japanische Notenbank zwar seit 2008 bis Ende 2016 die Liquiditätsausstattung des Landes mehr als vervierfacht haben. Und über Zinsen braucht man sich in Nippon ohnehin schon lange keine Gedanken mehr zu machen, denn diese sind bereits de facto Null. Dennoch ist Japan im zweiten Jahresquartal in die Rezession gerutscht. Und für das dritte Quartal sieht es auch wenig goldig aus.

Geld allein macht realwirtschaftlich also nicht glücklich. Das erinnert mich an meinen früheren Universitätsprofessor, der Geld immer nur als „Nümmerchen“ bezeichnet hatte, dessen konjunkturelle Wirkung niemals überschätzt werden sollte.

Wenn die großen gelben Maschinen von Caterpillar ruhiger werden
"Caterpillar als verlässlicher Frühindikator der Weltwirtschaft"

Und genau dieses Nümmerchen ist auch auf weltkonjunktureller Ebene nicht wesentlich mehr als eine Luftnummer. Gemessen an der kombinierten Liquiditätsausstattung von US-Notenbank, EZB und Bank of Japan mag die internationale Geldflut zwar so gewaltig sein wie der Amazonas bei Hochwasser, doch selbst diese dramatische Liquiditätsmenge hat offensichtlich große Probleme, die teilweise wüstenartige Weltwirtschaft grün zu machen.

Gut abzulesen ist das an Caterpillar, dem weltweit größten Hersteller von Baumaschinen, Minentransportern, Baggern, Traktoren, Gabelstaplern, Bulldozern. Warum Caterpillar? Ganz einfach, das Unternehmen ist als global auftretender Konjunkturzykliker ein sensitiver Frühindikator der Weltwirtschaft. Annähernd zwei Drittel der Umsätze des Unternehmens werden im Ausland erzielt. Die dramatischen Umsatzrückgänge von 70 Prozent in Russland könnte man noch mit Sanktionen erklären. Das funktioniert aber nicht bei Rückgängen in China und Brasilien von fast 50 bzw. 40 Prozent. Insgesamt hat damit das frühere Schwellenland-Gütesiegel BRIC enorm an Güte verloren. Und wenn auch aus Indien keine ordentlichen Daten vorliegen, behaupte ich trotzdem, dass es dort nicht wirklich besser läuft.

Mittlerweile fallen die Umsätze bei Caterpillar seit drei Jahren. Auch der Blick ins Auftragsbuch verheißt nicht viel Gutes. Danach soll sich auch 2016 der Schrumpfungsprozess fortsetzen. Es wäre das erste Mal in der 90-jährigen Firmengeschichte, dass Umsätze vier Jahre hintereinander fallen.

Ja, Geld scheint tatsächlich ein Nümmerchen zu sein.

Jetzt muss man aber noch den realwirtschaftlichen Rattenschwanz hintendran berücksichtigen. Denn wenn Caterpillar weltweit zu wenig Dreck bewegt, wenn eine zu geringe Anzahl an Löchern ausgehoben oder wenn zu wenig Rohstoffe aus dem Boden geholt werden, umso weniger Häuser, umso weniger Gewerbeimmobilien und umso weniger Maschinen, Flugzeuge, Autos usw. werden dann gebaut. Ist es nicht ein geldpolitischer Treppenwitz, dass sich die Stimmung ausgerechnet im zinssensitiven Immobiliengewerbe trotz rekordniedriger Bauzinsen zuletzt verschlechtert hat?

Und das führt schließlich zu weniger Arbeitsplätzen, Einkommen, Konsum und Steuereinnahmen. Also, wenn die gelben Maschinen von Caterpillar ruhiger werden, wird es auch die Weltkonjunktur.

Casanova zeigt selbst Leistungsverweigerung bei Aktien
"Wenn die Pferde nicht saufen wollen"

Normalerweise können die Notenbanken ohnehin nur die Bedingungen für Wirtschaftswachstum verbessern. Pferde - so ein berühmtes Wirtschafts-Bonmot, kann man zwar zur Tränke führen, zum Saufen zwingen jedoch nicht.

Aber ist es nicht erstaunlich, dass die früher nie bezweifelte Leistungsfähigkeit von Notenbanken und ihrem Geld jetzt selbst bei Aktien kein Selbstläufer mehr ist? Der enge Zusammenhang von „Mehr Geld = Höhere Aktienkurse“ ist seit Frühjahr mindestens schwankungsanfälliger geworden.

Das ist auch realwirtschaftlich von Bedeutung. Früher noch haben sich Haussezeiten auch in positiven Vermögenseffekten bemerkbar gemacht. Wer über Aktien vermögender ist, so die Erfahrung, gibt auch mehr Geld aus. Dieser Effekt lässt nach.

„Quantitative Easing (QE) ist tot, es lebe das Qualitative Quantitative Easing (QQE)"
"Und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt"

Grundsätzlich gewinnen die Notenbanken mit der konventionellen Niedrigzinspolitik - auch wenn die Fed noch lange nicht die Zinswende einleiten wird - und Geldmengenausweitungen - im Fachjargon QE, d.h. Quantitative Easing - konjunkturell kaum mehr einen Blumentopf. Die Geldpolitik muss sich „weiterentwickeln“: Wenn die Pferde nicht trinken wollen, müssen sie dazu gezwungen werden. Übrigens, die Schwellenländer - insbesondere der schnaufende Drache - werden bei dieser Zwangstränkung der Wirtschaft immer mehr mitmachen müssen. Die Industrieländer und Deutschland werden für jeden Cent mehr Kaufkraft aus den Emerging Markets dankbar sein.

Und was brauchen wir dafür? Nennen wir es QQE, d.h. Qualitative Quantitative Easing: Die Qualität der quantitativen Geldmengenausweitung muss erhöht werden. Staatsausgaben können nicht mehr nur hauptsächlich durch Steuereinnahmen finanziert werden, die naturgemäß begrenzt sind. Nein, dieses QQE muss so etwas wie einen großflächigen Volkskapitalismus hervorrufen, bei dem Zentralbanken direkt ohne Umwege Staatsausgaben, möglichst unbegrenzt, finanzieren.

Das Geld für Konjunkturprogramme und staatliche Einkommen wüchse sozusagen wie reife Früchte auf den Bäumen. Vater Staat bräuchte es nur zu pflücken. In Japan, einem Land, das ökonomisch, ökologisch und von seiner Bevölkerungsstruktur her schwer angeschlagen ist und konjunkturell mit den alten geldpolitischen Rezepten nicht in die Gänge kommt, wird über diese neue Geldphilosophie bereits sehr laut nachgedacht.

Und diese Idee hat eigentlich auch schon in Europa gestreut. Schon heute kauft die EZB Staatspapiere der Europäischen Investitionsbank auf, um Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Und wenn doch sowieso schon seit Jahresanfang Staatspapiere aufgekauft werden, ist es dann wirklich eine so große geldpolitische Revolution, wenn sie dann direkt an der Quelle abgezapft werden? Frankreich hätte mit dieser neuen Philosophie der EZB-Politik wohl kaum Probleme. Und Italien? Nein, Italien auch nicht!

Die Wirtschaft könnte gar nicht anders als wachsen. Wer wollte sich denn dagegen wehren, dass es Geld für umfangreiche Konjunktur- und Sozialprogramme regnet?

Sie halten diese Idee für absurd? Ja, auch ich halte diese Idee für fatal. Die Staaten hätten dann noch weniger Anreiz, dringende und harte Wirtschaftsreformen zu ergreifen und noch mehr Unternehmen als bislang würden sich aus der Reformwüste Europa verabschieden.

Aber hätten Sie 2008 gedacht, dass wir sieben Jahre später finanz-, stabilitäts- und geldpolitisch dort stehen, wo wir heute stehen? Wir wissen doch alle wie das in der (Geld-)Politik läuft. Zuerst sind diese Maßnahmen absurd, dann wird ein zweites Mal darüber nachgedacht und zum Schluss sind sie alternativlos.

Die Geldpolitik ist nicht mit ihrem Latein am Ende? Jetzt macht sie das große Latinum!

© 9. Oktober 2015

Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank und Halvers Woche Bestandteil des wöchentlichen Kapitalmarktmonitors. Bitte beachten Sie den Disclaimer der Baader Bank.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

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