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Laufzeiten und die Strategie des Rollens

Grundlagen Commodities

[Goldman Sachs] - Ein Anleger, der in Rohstofffutures investiert, um den Rohstoffmarkt zur Geldanlage zu nutzen, wird in jedem Fall die physische Lieferung von Rohstoffen vermeiden wollen. Da aber jeder Futureskontrakt einen feststehenden Fälligkeitstermin hat, muss der Anleger seine Position auflösen, bevor dieser Termin verstreicht. Will er weiterhin in Rohstoffen investiert sein, muss er den Erlös aus diesem Verkauf in einer Futuresposition mit einem späteren Fälligkeitstermin wieder anlegen. Dieser Vorgang, der sich vor jedem Fälligkeitstermin wiederholt, wird Rollen genannt.

Anleger, die eine solche Rollstrategie verfolgen, sind in der Regel bemüht, Commodity-Futures mit einer möglichst kurzen Laufzeit zu halten, da hier der liquideste Markt zustande kommt. Auch das Interesse der Marktbeobachter konzentriert sich auf das kurze Ende der Laufzeiten. So wird beispielsweise in der Regel der kürzeste in London gehandelte Brent-Öl-Futureskontrakt in den Medien als Referenz für steigende oder fallende Ölpreise herangezogen, während die Preisentwicklung von langlaufenden Kontrakten wenig beachtet wird.

"Contango" und Backwardation"

Für das Rollen aus einem demnächst auslaufenden Future in einen länger laufenden Kontrakt gibt es zwei unterschiedliche Konstellationen, die mit den Begriffen „Contango" (= Aufschlag) und „Backwardation" (= Abschlag) bezeichnet werden. Mit Contango wird eine Situation beschrieben, in welcher der Kurs eines Futureskontraktes umso höher ist, je länger seine Laufzeit ist. Dagegen ist ein in Backwardation notierender Markt dadurch gekennzeichnet, dass die länger laufenden Futureskontrakte billiger sind als die kürzer laufenden.

Was auf den ersten Blick wie ein Detail des Marktgeschehens wirkt, erweist sich in einem Umfeld, in dem Anleger regelmäßig aus einem kurzen in einen längeren Future rollen, als ein sehr relevantes Phänomen: Denn in einem Markt, der in Backwardation notiert, wird der Anleger für einen kurz laufenden Future einen Preis erzielen können, der höher liegt als der Preis, den er für den lang laufenden Future bezahlen muss. Da er den gesamten Erlös aus dem Verkauf wieder für den Kauf des länger laufenden Kontraktes einsetzt, kann er mit jedem Rollen mehr Futureskontrakte erwerben, als er zuvor besaß. Umgekehrt stellt sich die Situation bei einem Markt dar, der in Contango notiert. Hier muss der Anleger für den länger laufenden Future mehr bezahlen, als er für den kurz laufenden Kontrakt erhalten hat. Daher bezieht sich sein Vermögen nach dem Rollen auf weniger Einheiten des zugrunde liegenden Rohstoffs.

Der Wertzuwachs bzw. Wertverlust beim Rollen hat keine unmittelbare Auswirkung auf die Höhe des Anlegervermögens, denn der Anleger schichtet zunächst wertneutral aus einer Laufzeit in die andere Laufzeit um: seine Position bezieht sich zwar auf weniger Einheiten des zugrunde liegenden Rohstoffs, diese sind jedoch pro Einheit mehr wert. Schlussfolgerungen über die Wertentwicklung dieser Position lassen sich daher erst aus einer Annahme über die weitere Kursentwicklung der kürzesten Futures ableiten. Ebensowenig kann geschlussfolgert werden, dass eine Investition in eine Laufzeitkurve in Backwardation immer eine gute Anlage, eine Investition in einen Contangomarkt hingegen immer eine schlechte Anlage sei. Zum Vergleich: Futureskontrakte auf den Performance-Index DAX® notieren immer in Contango, während andererseits zum Beispiel Light-Sweet-Crude- Rohöl in den drei Jahren von Mai 2002 bis Mai 2005 zu 80% der Zeit in Backwardation notiert hat.

Anders als Aktienindexfutures notieren die meisten Rohstoffe zeitweise in Backwardation und zeitweise in Contango. Für die Backwardation der Rohstofffutures gibt es eine Reihe von Erklärungen. Die erste und bekannteste stammt von John Maynard Keynes, dem britischen Nationalökonomen, der sein beträchtliches Privatvermögen zum Teil mit Spekulationen auf Rohstofffutures verdient hat. In seiner „Theorie der normalen Backwardation" zeigte Keynes erstmals, dass es sich bei der Backwardation um eine Risikoprämie der sich absichernden Produzenten an die Investoren handelt, die bereit sind, über ein Investment in rollende Futureskontrakte das Preisrisiko der Rohstoffe zu tragen.

Auszug aus dem Goldman Sachs "Rohstoff-Kompass"
Download als PDF: Rohstoff Kompass
Homepage: www.goldman-sachs.de

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